Kulturwissenschaftler zum Poker-Überfall: "Die Räuber stehen als Loser da"
Dilettanten oder coole Gangster? Der Kulturwissenschaftler Klaus Schönberger findet, die Räuber vom Berliner Poker-Turnier hatten wenig Stil.
Zwei der Berliner Pokerräuber sind gefasst. Sind sie Dilettanten, wie die Polizei sagt, oder doch coole Gangster?
Klaus Schönberger: Das Medienpublikum ist gnadenlos - es begeistert sich nur für die Gewinner. Wichtige Kriterien bei solchen Raubakten sind Pfiffigkeit, die Höhe der Beute und mit Einschränkung auch Gewaltlosigkeit. Der Überfall war schon kreativ: Es gab einen Insidertipp, und die Räuber wussten wann das Geld von einem Tresor ins andere gebracht wird. Sie haben auch letztendlich eine vergleichsweise hohe Summe erbeutet. Alles Pluspunkte hinsichtlich der ersten beiden Kriterien. Aber dann gibt es die vielen Minuspunkte: Sie haben einen großen Teil der Beute verloren und mussten Gewalt anwenden. Dass einer sich während des Überfalls stellen ließ, ist der Super-GAU bei so einem Raub.
Warum rauben Menschen Banken, oder eben Pokerturnier aus?
Der Zürcher Kulturwissenschaftler untersucht die Geschichten populärer Bankräuber und die Faszination der Gesellschaft für Raubüberfälle. 2001 gab er das Buch "Va Banque" heraus, dass Beiträge zur Theorie und Praxis des Bankraubs versammelt und bloggt über die Volkskunde des Bankraubs.
Bei Bankräubern ist das Überraschende, dass fast jeder (männliche) Mensch einer sein könnte. Es gibt da – anders als bei anderen Delikten – keine Täterprofile. Häufig sind es Anfänger und in der Regel werden sie sofort erwischt, oder – weil niemand darauf kommt – gar nicht.
Ist es dann überraschend, dass es schief ging?
Nein. So ein Überfall muss quasi-militärisch durchgeführt werden und da braucht man entsprechende Erfahrungen. Die Räuber waren sehr jung und das war wahrscheinlich das größte Ding, das sie gedreht haben.
Warum ist das denn so spannend, wenn da Mal eine Pokerrunde überfallen wird?
Das hängt mit gesellschaftlichen Fantasien über Reichtum zusammen: Alle träumen vom Sechser im Lotto oder eben vom Bankraub. Alle wollen Geld haben und die Frage ist, wem kann man es legitim abnehmen. In Berlin war von Anfang an die Begeisterung nach diesem Raub groß: Ich gehe davon aus, dass Pokerspieler keinen besonders guten Ruf haben. "Wer für so was Geld und Zeit hat, dem darf man's ja abnehmen", denken sich da viele.
Können die Räuber jetzt in den Augen des Publikums noch ihre Ehre retten?
Höchstens wenn die letzten beiden es schaffen, zu entkommen. Oder später aus dem Gefängnis ausreißen und nicht gefasst werden. Ansonsten stehen sie jetzt schon als Loser da: Der Raub an sich ist schief gegangen, sie wurden schnell gefasst und die Polizei hat sie bereits als Dilettanten dargestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag