Kulturpolitik: Auf Nummer sicher
Der Standort Hamburger Bahnhof ist dem Land und der Preußenstiftung nicht sicher genug, seit eine österreichische Immobiliengesellschaft das Areal gekauft hat. Ein Bebauungsplan soll die Nutzung dauerhaft festschreiben.
Gleich dreimal müssen in den kommenden Wochen die Ausstellungsmacher im Hamburger Bahnhof Platz für neue Präsentationen schaffen. Werke der Flick Collection werden ausgetauscht, zeitgenössische Videokünstler aus der Sammlung der Nationalgalerie wandern ins Depot, um den Klangskulpturen von Bernhard Leitner Raum zu geben. Es ist einiges im Umbruch im Museum für Gegenwart.
Die Ärmel hochkrempeln in Sachen Hamburger Bahnhof wollen jetzt auch das Land Berlin sowie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die das Haus betreibt. Der Hamburger Bahnhof samt Rieck-Hallen mit der Flick Collection und weitere Flächen in Richtung Norden "sollen dauerhaft als Kunst- und Kulturstandorte gesichert werden". Alle Fraktionen im Abgeordnetenhaus sowie der amtierende Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) erklärten, dass die kulturelle Nutzung der Grundstücke durch einen Bebauungsplan (B-Plan) festgelegt werden soll.
Bis zum Sommer 2008 soll dieser in das Parlament zur Beratung eingebracht werden. Dies wurde gestern auf der Sitzung des Kulturausschusses beschlossen.
Hintergrund der Initiative ist der Verkauf des großen Projekt- und Immobilienentwicklers Vivico Real Estate an die österreichische Aktiengesellschaft CA Immo zum Jahreswechsel 2007/2008. Weil das Museums-Grundstück sowie Flächen der geplanten Galerienmeile an der Heidestraße bei dem Super-Deal mit an den unbekannten Privatbesitzer wechselten, hatten die Stiftung sowie die Bundes-FDP Alarm geschlagen. Denn für den Hamburger Bahnhof besteht nur ein Mietverhältnis mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten. Die Vivico, Projektentwickler von großen Eisenbahnflächen, hatte nur für die Rieck-Hallen einen Vertrag bis 2013 zugelassen. Die anderen Flächen könnten theoretisch verkauft oder für Büro-, Hotel- oder anderes Gewerbe genutzt werden.
Weil das Land es offenbar versäumt hatte, sich vor dem Deal langfristige Standortgarantien zu sichern, stehen die Signale jetzt auf "Achtung". Nach Ansicht von Kulturstaatssekretär André Schmitz gibt es zwar keine Veranlassung, an den Absichten der Österreicher, dort die Kultur zu erhalten, zu zweifeln. "Dennoch geht die Erarbeitung eines Bebauungsplans in die richtige Richtung", so Schmitz.
Die Absicht Berlins pro Hamburger Bahnhof und Kulturmeile unterstrich gestern auch Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Es sei das stadtentwicklungspolitische Programm ihres Hauses, die kulturelle Nutzung des Geländes zu sichern. Dafür würden jetzt Wettbewerbe veranstaltet und Entwürfe für das rund 40 Hektar große Areal erarbeitet - mit dem Ziel, einen B-Plan aufzustellen. Lüscher: "Damit haben wir eine gesetzliche Regelung für die Nutzungen an dem Ort."
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Staatsminister für Kultur Bernd Neumann (CDU) sowie der Investor haben angekündigt, sich an einem runden Tisch über die Pläne und die Sicherung des Kulturstandortes zu beraten. Der Kulturstaatsminister halte den Museumsstandort Hamburger Bahnhof "für unverzichtbar", sagte eine Vertreterin Neumanns.
Christoph Meyer, kulturpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, die das Thema in die Sitzung eingebracht hatte, gingen die Absichtserklärungen nicht weit genug. Er forderte den Senat auf, schnell die gesetzlichen B-Plan-Regularien auf den Weg zu bringen. Meyer hatte in der Vergangenheit einen Vergleich zur Hand: "Dem Hamburger Bahnhof darf nicht dasselbe passieren wie den Kudamm-Bühnen." Theater und Komödie am Kurfürstendamm sind nach einem Verkauf an einen privaten Investor von der Räumung bedroht.
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