Kulturkampf: Jetzt kommt der Einheitslehrer
Schleswig-Holsteins umstrittenes Lehrkräfte-Bildungsgesetz könnte in dieser Woche im Landtag beschlossen werden. Die Opposition wittert den Einstieg in die „Einheitsschule“.
KIEL taz | „Gymansien“ und „planwirtschaftklch“: Der Brief, in dem die Kieler Bildungsministerin Waltraud Wende Änderungen im umstrittenen Lehrkräftebildungsgesetz beschrieb, wimmelte von Tippfehlern, Grammatik-Lücken und falschen Kommata. Dass das Schreiben, in das die parteilose Ministerin telefonisch Änderungen einfügte, ohne Korrektur verschickt wurde, ist die geringste Panne beim Werden des Gesetzes, das seit Monaten für Streit sorgt.
Unruhe gab es zwischen den Hochschulen Kiel und Flensburg, Studierende gingen auf die Straße. Dennoch wird das Gesetz aller Wahrscheinlichkeit nach in dieser Woche im Landtag verabschiedet. Zuletzt hatten die Landtagsausschüsse dem ergänzten und geänderten Entwurf mehrheitlich zugestimmt. Das Gesetz sieht eine einheitlichere Ausbildung des pädagogischen Nachwuchses vor, der an allen Schultypen eingesetzt werden kann. Die Opposition wie auch der Philologenverband lehnen die Pläne weiterhin ab – und haben dafür das Wort vom „Einheitslehrer“ geprägt.
Werde die „letzte tragende Säule des Gymnasiums, die Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer“, abgeschafft, sei „der Weg zur Einheitsschule frei“, warnte Helmut Siegmon, Vorsitzender des Philologenverbandes Schleswig-Holstein. Gegen diese „rein ideologische Debatte“ wendet sich der Landeselternbeirat der Gesamtschulen: „Es wird in Zukunft sogar mehr auf gymnasialem Niveau ausgebildete Lehrer geben“, so die Vorsitzende Benita von Brackel-Schmidt. Und die neuen Lehrer erhielten eine bessere methodisch-didaktische und pädagogische Ausbildung. „Das ergänzt die Fachlichkeit und ersetzt sie nicht, wie der Philologenverband offenbar befürchtet.“
Der Konflikt um das Gesetz reicht tief – die Landtagsparteien werfen einander vor, unsachlich zu sein. „Das Gesetz wird zum Kulturkampf genutzt“, heißt es aus dem Regierungslager. Die Opposition klingt ähnlich frustriert: „Jedes Argument wird pauschal abgebügelt, Sachgründe dringen nicht durch.“ Dazu passt, dass SPD, Grüne und SSW den scharfen Streit der Unis in Kiel und Flensburg, die künftig um Studierende konkurrieren, als „atmosphärische Irritationen“ bezeichnen.
An zahlreichen Stellen wollten die Parteien nach den Beratungen in den Ausschüssen und mit Fachleuten das Leherbildungsgesetz ändern.
Wichtigster Punkt ist die Frage, wo welche Fächer für welches Schulniveau studiert werden können. Unterschieden wird zwischen Sekundar- , Grundschul- und Berufsschullehrkräften. Zudem unterscheidet das Gesetz zwischen der Sekundarstufe I - Klassen fünf bis zehn - und der Sekundarstufe II, die auf den Unterricht bis zum Abitur vorbereitet.
Neben den Universitäten Kiel und Flensburg werden Lehrkräfte an den Kunsthochschule in Kiel und der Musikhochschule in Lübeck ausgebildet.
Auch "die Bedeutung des Niederdeutschen" soll Lehramtsstudierenden nahe künftig gebracht werden.
Der Gesetzentwurf folgt nun weitgehend dem, worauf sich das Ministerium und beide Hochschulen geeinigt hatten: Künftig soll auch die Uni Flensburg in elf Fächern Lehrkräfte ausbilden, die bis Klasse 13 unterrichten dürfen. In naturwissenschaftlichen Fächern, in denen Lehrkräfte knapp sind, sollen in Flensburg zusätzlich Lehrer für die Klassen fünf bis zehn ausgebildet werden. Auf Gymnasialniveau gibt es diese Fächer nach wie vor nur in Kiel. Die Opposition kritisiert diese Doppelstruktur: Die Kosten seien zu hoch, warnen Heiner Garg (FDP) und der Landesrechnungshof. Das Ministerium dagegen beharrt darauf, dass sein Plan mit der Schuldenbremse vereinbar sei. Lars Harms vom mitregierenden Südschleswigschen Wählerverband sagt: „Eine bessere Lehramtsausbildung gibt es nicht zum Nulltarif.“ Würden aber mehr Mittel in die Hochschulen gesteckt, verbessere das die Bildungschancen der Schulkinder in Schleswig-Holstein.
Anders sieht das die CDU, die warnt, es sei unklar, ob die Ausbildung in Kiel und Flensburg von anderen Bundesländern anerkannt werde. Das könne potenzielle Lehrkräfte abschrecken.
Erfüllt hat die Ministerin einen Wunsch der Studierenden: Für das Praxissemester, laut Ralf Stegner (SPD) das „Herzstück der neuen Lehrerbildung“, ersetzt das Land ihnen die Fahrtkosten zu ihrer Praktikumsschule.
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