Kulturfest: Türkische Muslime feiern eigenes Fest
Das erste Berlin-Istanbul-Festival sollte Vorurteile abbauen. Misstrauen gibt es trotzdem.
Eine Frau mit Kopftuch sitzt konzentriert auf einem Stuhl. Geschickt verziert sie eine Porzellankaraffe. Beobachtet wird sie dabei vom Ehepaar Fahn, das Gefallen am türkischen Kunstgewerbe gefunden hat. Beim ersten „Berlin-Istanbul-Festival“ des Vereins Forum für Interkulturellen Dialog (FID) am Pfingstwochenende auf dem Potsdamer Platz sind die beiden nur zufällig gelandet. „Die Stände hier sind interessant“, findet Erhard Fahn.
Künstler aus der Türkei stellen Ebru-Malerei, Kupferhandwerk, Glasbläserei und Kalligrafie vor. Dazu gibt es türkische Spezialitäten. „Unser Anliegen ist, Vorurteile abzubauen und den Menschen zu zeigen, dass die anatolische Kultur nicht homogen, sondern ein Mosaik mit vielen Facetten ist“, sagt Ercan Karakoyun, Vorsitzender von FID.
Am Freitagabend eröffneten die Schirmherren Ahmet Misbah Demircan, Bürgermeister des Istanbuler Bezirks Beyoglu, und Christian Hanke (SPD), Bürgermeister von Mitte, das Festival. Auch der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu war gekommen. Flankiert wurden ihre Reden von Folkloretänzen und sich drehenden Derwischen. Karslioglu sprach von Mauern zwischen Kulturen, die manche aufbauten. „Das dürfen wir nicht zulassen. Wenn die Liebe da ist, können wir alle Hindernisse bekämpfen“, so Karslioglu. Demircan redete ebenso metaphorisch von kulturellen Brücken, die gebaut werden sollten. Hanke ging auf einen Punkt ein, den die anderen aussparten: „Bei der ganzen Kritik, die ich im Vorfeld vernehmen musste: Ich finde es richtig, dass gläubige Muslime in unserem Bezirk Verantwortung übernehmen und sich dem gesellschaftlichem Dialog stellen“, sagt er. Die rund 200 Eröffnungsgäste applaudieren.
Es geht um den umstrittenen Ehrenvorsitzenden des Vereins FID, Fethullah Gülen. Weltweit gründen Anhänger des 1941 in Anatolien geborenen Islamgelehrten Vereine, bauen Privatschulen und organisieren Kulturveranstaltungen. Bildung soll konfliktfähig machen, der Islam modernisiert werden, so die Selbstdarstellung der Gülen-Bewegung. Offizielle Strukturen gibt es nicht. In der Türkei gibt es Befürchtungen, die Bewegung würde den Staat unterwandern. „Vorwürfe gibt es immer. Ich bin da gelassen“, sagt Vereinsvorsitzender Karakoyun der taz. „Jeder kann sich davon überzeugen, ob wir im Verborgenen missionieren.“ In Berlin sei man mittlerweile „eine Marke. Wir sind sogar auf dem Kirchentag vertreten“, sagt er stolz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers