: Kulturfabrik oder Verkehrslärm
■ Osnabrück: Ein historisches Fabrik-Gebäude soll einer Schnellstraße weichen
Die alte Eisengießerei und Maschinenfabrik Weymann im Osnabrücker Sanierungsgebiet Salzmarkt repräsentiert ein Stück Industriegeschichte, von der in Deutschland nur noch wenig erhalten ist. Bis vor kurzem wurde in den Eisengießerhallen — Baujahr 1850 — und in der Maschinenfabrik — Baujahr 1909 — noch geschuftet, längst sind aber zwei Fahrspuren plus Radweg geplant, wo die Maschinenfabrik noch steht. Denn der Verkehrsring, der dem mittelalterlichen Stadtwall folgt, sonst vierspurig ausgebaut, wird vor Weymann enger, und da staut sich regelmäßig der Verkehr.
Die „Initiative zur Erhaltung der Fabrik Weymann“ wehrt sich gegen den Abriß. Nachdem die nicht gerade saubere Produktion im Wohngebiet eingestellt ist, will sie die Halle kulturell nutzen. Im Oktober bewiesen die IG Medien mit zwei Kulturwochen, daß das geht. Eine Skulpturen-Ausstellung, Theater und Musik wurden dort gezeigt. Dafür gibt es in der Stadt mit inzwischen 14.000 StudentInnen hinreichend Bedarf.
Der für den Stadtplanungsauschuß am 17.1. vorgesehene Beschluß, die Maschinenfabrik abzureißen — die Eisengießhallen dahinter sollen zu einem Lebensmittelmarkt werden — „bedarf einer guten Begründung“, räumt der junge CDU-Fraktionsvorsitzende Christian Wulff ein. Er hält sich sonst viel auf eine moderne Kommunalpolitik zugute, im Falle Weymann aber sieht er eine „Verhärtung eingetreten“. Denn die Osnabrücker CDU, die zusammen mit der FDP die Mehrheit stellt, steht unter dem Druck der Anwohner, die von einer intensiven kulturellen Nutzung der 400 bis 500 Personen fassenden Halle Lärmbelästigung erwarten. Insbesondere wenn nicht nur ein neues „Subventionsloch“ (Wulff) entstehen soll, sind einnahmeträchtige Musik-Veranstaltungen unvermeidbar. Im Finanzkonzept der Initiative ist auch ein privat bewirtschaftetes Café oder Restaurant vorgesehen, Räume sollen an das städtische Theater (für Proben) oder an der Universität vermietet werden.
Eine Podiumsdiskussion in der historischen Halle, in der noch alte Werkmaschinen stehen, hat die Abriß-Befürworter beeindruckt, die Mehrheiten im vergangenen Herbst allerdings nicht zugunsten der Initiative kippen können. So ist die Initiative dazu übergegangen, auch ohne Nutzungsgenehmigung die Weymannsche Fabrik für Veranstaltungen zu nutzen. CDU-Fraktionschef Wulff muß die konstruktive Art anerkennen, in der die Initiative vorgeht („was uns die Sache schwer macht“). Aber Hoffnung machen, daß die CDU- Fraktion bis zur Stadtplanungsausschuß-Sitzung am 17. Januar über den Schatten der Anwohner und anliegenden Geschäftsleute springt, kann er nicht. K. W.
Kontakt-Tel. der Initiative: 05422 / 5315 (Wusel)
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