Kultur und Entschädigung: Rückgabe bleibt strittig
Der Sonderausschuss "Restitution" legt seinen Abschlussbericht vor: Die Rückgabe des Gemäldes "Berliner Straßenszene" an die Alt-Eigentümer war notwendig. Die Opposition bezweifelt das.
Die Rückgabe des Ernst-Ludwig-Kirchner-Gemäldes "Berliner Straßenszene" aus dem Brücke-Museum an die Alt-Eigentümer war "fair und gerecht" - und juristisch unabweisbar. Zu diesem Schluss kommt der parlamentarische Sonderausschuss "Restitution" in seinem Abschlussbericht. Die knapp 200 Seiten zeigen auch, dass die Diskussion um den brisanten Fall keinesfalls beendet ist. Der Bericht, der am Donnerstag dem Abgeordnetenhaus zur Diskussion vorgelegt wird, enthält zwei Sichtweisen der Affäre. Dem offiziellen Bericht ist ein abweichender der Opposition beigeheftet. Grüne, CDU und FDP finden, dass der Senat zu wenig unternahm, um das Bild in Berlin zu halten. Den Verantwortlichen wird auch mangelnde Einbeziehung des Parlaments vorgeworfen.
Im August 2006 hatte der damalige Kultursenator Thomas Flierl (Linke) das Kirchner-Bild aus dem Bestand des landeseigenen Brücke-Museums an die Erben des ehemaligen jüdischen Eigentümers Alfred Hess zurückgegeben. Die Begründung: Die Familie Hess sei zum Verkauf genötigt worden, das Land habe eine moralische Pflicht zur Rückgabe. Das Bild wurde kurz darauf in New York für 38 Millionen Dollar an den Kosmetikunternehmer Lauder versteigert. Für den Umgang mit dem Fall erntete die rot-rote Koalition harte Kritik.
Der von der Opposition einberufene Sonderausschuss sollte für die rückhaltlose Aufklärung des Falles sorgen. Und gleichzeitig Richtlinien für den Umgang mit ähnlichen Rückgabeforderungen erarbeiten. Doch nach erbitterten Diskussionen, der Sichtung unzähliger Beweisstücke sowie der Anhörung von 29 Experten bleiben die Fronten verhärtet. Die Koalition verteidigt ihre Entscheidung als moralisch richtig, verfahrensmäßig korrekt und alternativlos. Die Opposition glaubt weiterhin, dass Flierl und seine Staatssekretärin Barbara Kisseler voreilig handelten und Ankaufbemühungen nicht energisch genug betrieben.
Ob die Familie Hess das Bild in den Dreißigerjahren freiwillig oder unter dem Druck der Nazis verkaufte, ob der Kaufpreis angemessen war und ob nationale und internationale Vereinbarungen die Rückgabe rechtfertigten: All diese Fragen wurden im Ausschuss bis ins Detail gewendet und gedreht - ohne dass sich Regierung und Opposition in der Bewertung einig wurden.
Vor lauter Details verlor man auch die Zukunft aus dem Auge: Zur Beantwortung der Frage, wie man künftig mit ähnlichen Fällen umgehen soll, kam der Ausschuss in seiner knapp einjährigen Arbeit nicht mehr: "Eine umfassende Befassung mit diesem Aspekt und eine entsprechende Auswertung der hierzu durchgeführten Anhörungen von Sachverständigen (war) nicht mehr in angemessener Weise möglich", heißt es lapidar im Bericht. Empfehlungen soll nun der Kulturausschuss erarbeiten.
Der Ausschuss brachte zwar keinen Frieden in die Fraktionen, und für die "Straßenszene" kommt ohnehin jede Rettung zu spät. Aber etwas mehr als Papier bleibt doch: Der Ausschuss hat die Frage nach der Herkunft von Museumskunst aufgeworfen. Und die Berliner Museen bekommen bald eine feste Stelle für Provenienzforschung.
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