Künstliche Aromen in Lebensmitteln: Hühnersuppe ohne Huhn
Viele Lebensmittel werden mit künstlichen Aromen aufgepeppt - und enthalten zum Teil gar nicht mehr die Zutaten, die sie versprechen. Die Unternehmen sparen sich so teure frische Rohstoffe.
An hübscher Verpackung sparen Danone und Co nicht: Auf dem Doppelpack "Dany Sahne" steht in großen Buchstaben "Pistazien-Geschmack". Der Aufdruck ist garniert mit neun Pistazien. Nur: So reich an Zutaten ist der Nachtisch nicht. Auf der Rückseite, klein gedruckt, ist gelistet, was in ihm steckt: Emulgator: E 427 b, Farbstoffe: E 141 und Beta-Carotin oder Aroma. Pistazie taucht nicht auf. Ein Einzelfall ist das nicht.
"In Fertiglebensmitteln steckt häufig kein einziges Gramm der abgebildeten Früchte, Nüsse oder Fleischsorten", sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Sie hat mit ihren Kollegen 30 Lebensmittel getestet. Schon lange kritisieren Verbraucherschützer, dass etwa im Erdbeerjoghurt echte Erdbeeren fehlen. Doch dies ist bisher die umfangreichste Liste über Schmu mit dem Geschmack - zu der sich Hersteller wie Danone nicht äußern wollten.
Ein anderes Beispiel: Instant Nudelsuppe "Thai Chef Huhn". Der Hersteller, die Thai President Foods Public Company, bildet auf dem Beutel acht Scheiben Hühnerfleisch ab. Knusprig gebraten sehen sie aus. Huhn gehört aber gar nicht zu den Zutaten. Letzter Fall: das Coco-Vanille-Spritzgebäck von der Pennymarkt GmbH. Die Verpackung zieren Vanilleblüten, der Inhalt kommt ohne diese aus.
Fabrikanten rühren Aromastoffe in die Lebensmittel. Diese sind billiger als echte Vanille, Fleisch oder frische Erdbeeren. Verbraucherschützerin Schwartau meint: "Schon ein Gramm Aroma reicht, um ein Kilo eines Lebensmittels einen Geschmack zu geben." Manchmal sorgen sie auch dafür, von der Industrie selbst geschaffene Unzulänglichkeiten zu überdecken: Setzen sie Brot zum Beispiel die als "besonders gesund" vermarkteten Omega-3-Fettsäuren zu, kann es schnell fischig schmecken.
2.700 Aromen sind in der EU erlaubt. Der Verbraucher kann kaum erkennen, welche Stoffe für den Geschmack sorgen. Der Hinweis "natürliches Aroma" bedeutet zum Beispiel nur, dass der Stoff aus der Natur stammt. Das weltweit besonders beliebte Vanillearoma kann auch aus Holz gewonnen werden, genauer aus dem Phenylpropan, das für die Stabilität von Bäumen sorgt. Naturidentisches Aroma wird im Labor gewonnen, es hat nur die chemische Struktur des Originals. Und künstliches Aroma hat mit der Natur gar nichts mehr zu tun.
Jedes Jahr werden allein in der EU 170.000 Tonnen Aromastoffe ins Essen gerührt. Einer der weltweit größten Hersteller ist Symrise. Das Unternehmen aus Holzminden erklärt den großen Bedarf so: Es gebe "nicht genügend frische Zutaten, um den weltweiten Bedarf zu decken". Erdbeerjoghurts stehen immer im Regal - egal ob Erdbeersaison ist oder ob die Ernte schlecht war. Bei der industriellen Herstellung gehe außerdem Geschmack verloren, dieser werde "wieder zugeführt". Es gebe auch Moden, derzeit etwa Bier mit Mintgeschmack. Die Aromaproduzenten engagieren Flavoristen, die immer neue Geschmacksrichtungen erfinden.
Der natürliche Geschmack bekommt so immer seltener eine Chance. "Wer schon als Kind viele aromatisierte Produkte isst, gewöhnt sich an die Aromen", sagt die Lebensmitteltechnologin Kirsten Buchecker. Sie hat das im Sensoriklabor des Technologie-Transfer-Zentrums Bremerhaven getestet. Sie serviert Studenten immer wieder einen Erdbeerjoghurt mit echten Früchten und einen mit Erdbeeraroma. Zweidrittel der Probanden - darunter mehr Männer als Frauen - schmecke der mit Zusätzen besser.
Alle diese Produkte entsprechen dem Lebensmittelrecht. Das weiß auch Verbraucherschützerin Schwartau. Sie fordert jedoch: "Nur wo Hühnerfleisch drin ist, sollte auch ein Huhn auf der Verpackung sein", möglichst mit einer klaren, deutlich sichtbaren Angabe, wie viel die Zutat ausmacht. Die Kennzeichnungsverordnung müsse entsprechend geändert werden. Angedacht ist das bisher noch nicht.
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