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KünstlerstreitPlakatkunst ohne Kunstverein

Der Kunstverein Tiergarten zieht sich aus der umstrittenen Ausstellung "ZOG - Surrend" zurück. Das Bezirksamt Mitte betreibt die Schau alleine weiter.

Der Kunstverein Tiergarten schmeißt das Handtuch: Er macht bei der Ausstellung "ZOG - Surrend" in seinen Räumen in der Galerie Nord nicht länger mit. Die Schau mit satirischen Plakaten hatte nach Drohungen von Muslimen für einige Tage schließen müssen. Seit der Wiedereröffnung am Dienstag ist nun allein das Bezirksamt Mitte für die Betreuung der Ausstellung zuständig, wie der Kunstverein auf seiner Webseite mitteilt. Der Leiter des Kunstvereins, Ralf Hartmann, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Mitarbeiter des Bezirks, die in den Ausstellungsräumen Wache schieben, sind wütend: "Da haben sie erst was ins Rollen gebracht und nun kann der Baum nicht dick genug sein, hinter dem sie sich verstecken."

Tatsächlich hatte Hartmann noch vor kurzem in Bezug auf die Ausstellung gesagt, "dass sich politisch engagierte und kritische künstlerische Praxis nicht an normativen Vorgaben orientieren kann und darf, sondern den Schritt jenseits gesellschaftlicher Akzeptanzen wagen muss". Mittlerweile scheint ihn der Mut verlassen zu haben. Das ist auch nicht ganz verwunderlich: Seit der Eröffnung am 22. Februar erhitzt die Ausstellung mit Werken der dänischen Künstlergruppe Surrend die Gemüter. Vor allem ein Plakat mit der würfelförmigen Kaaba in Mekka, dem zentralen Heiligtum des Islam, und dem Spruch "Dummer Stein" hatte für Diskussionen gesorgt. Eine Woche nach der Eröffnung drohten muslimische Besucher dem Kunstverein, es würden bald Steine fliegen. Der schloss die Ausstellung darauf aus Sicherheitsgründen (taz berichtete).

Das Bezirksamt entschloss sich jedoch, die Ausstellung wiederzueröffnen, "um ein deutliches Zeichen zu setzen für die Freiheit der Kunst und Kultur", wie Karin Grunz von der Pressestelle des Bezirksamtes sagt. Die Räume werden seitdem von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht. Für die Aufregung der Muslime hat Grunz jedoch Verständnis: "Haben Sie die Bilder gesehen?" In der Nacht zum Mittwoch kam es dann tatsächlich zu einem Angriff auf die Ausstellung: Unbekannte verklebten die Türschlösser der Galerie. Nun ist die Anspannung in den Ausstellungsräumen mit Händen zu greifen. Ein Mitarbeiter des Bezirksamts verweist einen älteren Herrn mit Schnauzbart und Trachtenjacke des Hauses, als dieser bemerkt, die Sicherheitsmänner würden aussehen wie NPD-Funktionäre.

Mit ihren Plakaten will die Künstlergruppe Surrend Neonazis und antisemitische Weltverschwörer bloßstellen. ZOG steht für "Zionist Occupied Government", zu deutsch "Zionistisch besetzte Regierung" - eine Persiflage auf die Weltsicht all jener, die überall jüdische Einflussnahme wittern. Eines der ausgestellten Plakate zeigt einen Astronauten, der eine israelische Flagge mit Davidstern auf einem unbewohnten Planeten aufgestellt hat. Überschrieben ist das Plakat mit dem Titel: "Neonazi-Halluzination".

Auch außerhalb von Galerien haben die Künstler immer wieder mit Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. In Wien wurden sie schon einmal festgenommen und verhört, in Polen von Apfelverkäufern mit dem Stock bedroht. Die nun ausgestoßenen Drohungen und der Klebstoffanschlag zeigen, dass die Kunstfreiheit auch im vermeintlich geschützten Kunstraum zu verteidigen ist.

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1 Kommentar

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  • TK
    Thomas Kilian

    Schon mal was vom § 166 Strafgesetzbuch gehört? Der verbietet die Beleidigung von Religionsgemeinschaften, wenn das "den öffentlichen Frieden" gefährdet. Das gilt auch für Kunstwerke. Man sollte bei der Anwedung dieses Paragraphen, der immerhin mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe droht, die Muslime nicht schlechter behandeln als früher die Christen - oder ihn gleich abschaffen, wie in Dänemark.