Künstler legte angeblich Geständnis ab: Ai Weiwei ist frei
Nach gut zweieinhalb Monaten in Haft ist der chinesische Künstler und Regierungskritiker Ai Weiwei gegen Kaution auf freien Fuß gekommen. Es gehe ihm gut, gab er bekannt.
PEKING/BERLIN dpa/dapd | Der chinesische Künstler Ai Weiwei ist nach knapp drei Monaten Haft am Mittwoch nach Hause zurückgekehrt. Sein Gesundheitszustand sei gut, teilte der bekannte Regimekritiker mit. Ai bedankte sich bei Reportern, die am Mittwoch vor seinem Studio warteten, für deren Unterstützung. Er erklärte aber, unter den Bedingungen seiner Freilassung könne er sich nicht weiter dazu äußern.
Die Freilassung des Regimkritikers erfolgte nur wenige Tage vor dem Deutschland-Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao. Anfang kommender Woche finden in Berlin erstmals deutsch-chinesische Regierungskonsultationen statt.
Wie die chinesische Staatsagentur Xinhua berichtete, wurde die Freilassung des Gegenwartskünstlers mit "Schuldeingeständnissen" und seinem Gesundheitszustand begründet. Der Künstler musste eine Kautin hinterlegen.
Die Festnahme von Ai Weiwei am 3. April auf dem Pekinger Flughafen war international scharf kritisiert worden. Mehr als 100.000 Menschen unterzeichneten eine Petition für seine Freilassung, die von dem New Yorker Guggenheim-Museum initiert worden war.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle und andere westliche Regierungen hatten nach der Festnahme Ai Weiweis die sofortige Freilassung gefordert. Aus ihrer Sicht war er wegen seiner Kritik am kommunistischen System festgesetzt worden.
Die Familie des Künstlers hatte den gegen ihn erhobenen Vorwurf des Steuerbetrugs zurückgewiesen. Laut Xinhua soll ein von Ai Weiwei "kontrolliertes" Unternehmen, Beijing Fake Cultural Development Ltd, "große" Beträge Steuern hinterzogen haben. Am Mittwoch schrieb die Staatsagentur, Ai Weiwei sei zur Steuernachzahlung bereit.
Menschenrechtsgruppen hatten darauf hingewiesen, dass chinesische Behörden auch schon in anderen Fällen den Vorwurf von Wirtschaftsverbrechen gegen Bürgerrechtler erhoben haben.
Der China-Experte Tilman Spengler begrüßte die Freilassung des Regimekritikers. Bei aller Freude sollten aber nicht die anderen Gefangenen vergessen werden, unter ihnen der Friedensnobelpreisträger Liu Xiabo, sagte der Wissenschaftler und Übersetzer der Nachrichtenagentur dpa.
Mit gemischten Gefühlen reagierte Ais Berliner Verleger Wolfgang Hörner vom Galiani Verlag, der die in China verbotenen Blogtexte des Künstlers herausbringt. "Wir sind natürlich zunächst unglaublich froh", sagte er. "Aber wir machen uns auch große Sorge, dass ihm Wirtschaftsverbrechen vorgeworfen werden. Das ist oft ein Weg, Regimekritiker ins Gefängnis zu bringen oder sie zu ruinieren."
Hörner betonte, an den Zuständen in China habe sich nichts grundsätzlich geändert. "Das ist zwar grandios, aber es gibt genügend andere, weniger bekannte Künstler, die nach wie vor inhaftiert oder verschleppt sind." Bei Galiani erscheinen Ais Blogtexte Ende Juli unter dem Titel "Macht euch keine Illusionen über mich".
Der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, der wiederholt von China Rechtsstaatlichkeit im Umgang mit Ai Weiwei gefordert hatte, reagierte erfreut auf die Nachricht von der Freilassung. "Wenn sich das bestätigt, begrüße ich das außerordentlich und freue mich sehr darüber." Lehmann hatte den Künstler noch zwei Tage vor dessen Verhaftung in seinem Atelier in Peking besucht.
Der Regimekritiker genießt wegen seiner Kunstwerke und Installationen international hohes Ansehen. Als künstlerischer Berater war er auch an der Gestaltung des Olympiastadions in Peking beteiligt. Ais Holzkonstruktion aus Türen und Rahmen zerstörter chinesischer Häuser war eine der Hauptattraktionen auf der documenta in Kassel im Jahre 2007 gewesen.
Ai Weiwei wurde 1957 in Peking geboren. Er studierte an der Filmakademie in Peking und lebte mehrere Jahre in den USA. In unzähligen Dokumentarfilmen zeigt sich sein politischer Aktivismus, wo er Menschenrechte thematisiert. Zuletzt avancierte der Künstler auch zum Blogger und nutzte Twitter - wie andere chinesische Aktivisten -, um Missbräuche der Polizei und Behörden anzuprangern.
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