Künstler für die Schulreform: "Not in our Name, Scheuerl"
Auch die Hamburger Künstler-Szene wirbt für die Primarschule und gründet die Initiative "Prima Schule" - obwohl sie sonst mit der Regierung nicht einverstanden ist.
Der Volksentscheid läuft. Bis Freitag gingen beim Wahlleiter 187.000 Briefe ein. Ebenfalls gestern mischte sich eine Gruppe aus der Hamburger Subkultur ein und erklärte, man nehme den "Fedehandschuh" auf, den die Initiative "Wir wollen lernen" (WWL) geworfen habe. Der Versuch, "für die eigenen Sprösslinge exklusive Schulabschlüsse zu verteidigen" sei purer "Bildungsegoismus", heißt es in der Erklärung "Prima Schule rückt näher", die unter anderem der Schauspieler Peter Lohmeyer und der Entertainer Rocko Schamoni unterzeichneten.
"Wir sagen: Not in our Name, Walter Scheuerl", erklärte Christoph Twickel, der vor wenigen Monat mit der Streitschrift "Not in our Name, Marke Hamburg" die Gentrifizierung anprangerte. Die Spaltung der Stadt in arm und reich geschehe auch über das Schulsystem. Es sei populär bei Eltern, schon im Kita-Alter an die Karriereplanung ihrer Kinder zu denken. "Wir brauchen eine Schule, die diesen Stress abstellt. Ich hätte gern für meine Tochter eine Schule für alle".
Die Volksabstimmung am 18. Juli habe bundesweit hohe Bedeutung, ergänzte die Journalistin Christiane Müller-Lobeck. "Es geht um die Wurst." Gewinne Scheuerl, werde zehn, 15 Jahre lang bundesweit niemand an Strukturen rütteln. Sie kritisierte die Info-Kampagne des Senats, die eher "Friede, Freude, Eierkuchen" vermittele als den Ernst der Lage. "Es geht darum: haben wir eine Schule, die sich am Gemeinwohl orientiert oder an der gehobenen Mittelschicht?" Auch die Kita-Kürzungen seien kein Argument gegen die Reform.
"Man muss diese Regierung nicht mögen, um für die Primarschule zu sein", ergänzte Dorothee Bittscheidt, die letzte Präsidentin der vor sechs Jahren geschlossenen Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP). Die damalige Argumentation des CDU-Senats erinnere sie an die heutige von Scheuerl. "Man will Bildungschancen exklusiv halten." Der jetzige Senat habe jedoch umgedacht. "Wenn 30 Prozent ohne die nötigen Basiskompetenzen die Schule verlassen, wird das teuer für die Stadt."
45 Prozent der türkischstämmigen Männer sei arbeitslos, sagte Hasan Erkan von der Interkulturellen Elterninitiative. Dies liege am Schulsystem, das den Kinder nicht die gleichen Chancen garantiere. "Prima Schule" kritisiert, dass 206.000 Hamburger ohne deutschen Pass nicht abstimmen dürfen. Migranten wollen deshalb am 3. Juli am Rathaus symbolisch abstimmen. Bereits für Sonntag lädt "Prima Schule" ab 14 Uhr zu einem Fest mit Talk und Kultur am Elbstrand in Neumühlen ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mindestlohn feiert 10-jähriges Jubiläum
Deutschland doch nicht untergegangen