Kudamm-Kugelkino: Der 360-Grad-Flop

■ Die Touristenfalle bleibt bisher gähnend leer / Unscharf durch Berlin, von der Steinzeit bis zum Fall der Mauer / Teuer und doof

Im neueröffneten Rundum-Kino „Panorama“ gegenüber der Gedächtniskirche fielen gestern die ersten Vorstellungen wegen Zuschauermangels aus. Als „das tollste Weihnachtsgeschenk, das die Berliner und ihre Gäste je bekommen haben“ wurde das Kino mit der blauen Aluminiumkuppel von den Betreibern angepriesen. Doch nach der Premiere des Stadt-Films Destination Berlin am Mittwoch abend vor geladenen Gästen blieb gestern das zahlende Publikum zu Hause. Die BerlinerInnen bewiesen einen guten Riecher und ersparten sich die 10 DM teure „Faszination“.

Der 30 Minuten lange Film soll eine „Mischung aus Dokumentar- und Unterhaltungsfilm“ sein und wurde für über 2,5 Millionen DM mit einer auf der Welt einzigartigen, von Disney-Mitarbeiter Ernst Heininger entwickelten Kamera aufgenommen. Eine in die Decke des Kinos installierte Fisheye-Linse projiziert den Film auf die Leinwand des Kugelkinos; in der Mitte stehen die ZuschauerInnen, die ständig ihre Hälse drehen und wenden, um möglichst viel mitzubekommen. Destination Berlin ist ein Berlin-Film ohne BerlinerInnen - er besteht hauptsächlich aus Luftaufnahmen vom Westteil der Stadt.

Obwohl die neuartige Rundumprojektion teilweise verblüffende Effekte erzielt und auch der 6-Kanal-Ton einen manchmal in die Mitte des Geschehens führt, überzeugt Destination Berlin nicht. Die Bilder reihen sich zusammenhanglos aneinander, Steinzeitdorf - Alter Fritz Bücherverbrennung - Maueröffnung, Historie im Schnellkochtopf. Die Aufnahmen von Motiven wie der Siegessäule oder des Olympiastadions wirken wie billige Postkarten, unterlegt ist das Ganze mit Synthie-Gewaber der Uralt-Band „Tangerine Dream“, ein Klangteppich wie im Supermarkt. „Jeder fühlt sich mittenmang im Wirbel der Ereignisse“, verspricht die „Panorama„-Eigenwerbung, doch bei dem stellenweise flackernden und unscharfen Bild bleiben die ZuschauerInnen distanziert. Zum Schluß ein Katapultschuß ins schöne Friesland, das typische Boot mit grünem Segel, Becks löscht Kennerdurst, wenigstens ein bißchen schärfer als der Berlin-Film.

Destination Berlin beeindruckt weder als technische Spielerei noch als interessante Berlin-Dokumentation: „rundum“ enttäuschend. Nur schwachen Trost kann da der eingebaute Souvenir-Shop bieten: Roger-Rabbit-Pappteller, Alf-Malbücher, Kylie-Minogue-Videos und Romy Schneiders Memoiren lauern auf KäuferInnen.

„Das Panorama Berlin“ zeigt „Destination Berlin“ täglich von 9 bis 22.30 Uhr alle 45 Minuten. Eintrittspreis 10 Mark, Kinder unter zwölf und Rentner 8 Mark. Studenten und Schüler schauen in die Röhre.

Jörg O. Riss