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■ Kuba öffnet sich 100prozentig fürs AuslandskapitalMarktwirtschaft – für wen?

Es waren stolze Zeiten, als Castros Revolutionäre kurzerhand das „Havanna Hilton“ enteigneten und in „Habana Libre“ umbenannten. Aber auch noch vor ein paar Jahren, als in der Sowjetunion bereits die Perestroika begonnen hatte, ließ man auf der sozialistischen Karibikinsel flächendeckend die Parole „100 Prozent kubanisch!“ plakatieren. In der Wirtschaft allerdings ist das „100 Prozent kubanisch“ längst passé. Kubas Nationalversammlung hat jetzt eine andere 100prozentige Variante für sozialismuskompatibel befunden: Künftig können ausländische Konzere direkt und ohne kubanischen Partner in Kuba investieren. Ein „Durchbruch in der wirtschaftlichen Öffnung des Landes“, feiert die FAZ. Nur: Öffnung für wen?

Den „Ausverkauf der Revolution“ zu beklagen, bringt nichts. Dem sozialistischen Staat fehlt schlichtweg das Kapital. Und da derzeit 500.000 bis eine Million Kubaner aus den siechen Staatsbetrieben entlassen werden müssen, bleibt kaum eine Alternative zu ausländischen Investitionen, um zumindest einen Teil der Arbeitsplätze zu retten. Das Problem ist vielmehr, daß der Öffnungswille der Regierung nach außen so viel höher liegt als der nach innen. Zwar wurden im vergangenen Jahr Bauernmärkte zugelassen, die die Ernährungslage verbesserten. Darüber hinaus aber kommt die Marktöffnung für die Normalbevölkerung bislang nur wenig über eine größere Toleranz gegenüber dem Schwarzmarkt hinaus. Gerade zwei Prozent der Bevölkerung sind bislang legal als „selbständige Einpersonenbetriebe“ registriert.

Besonders heikel ist daher, wenn Castro nun explizit die Exilkubaner zu Investitionen auf Kuba einlädt. Sicher, es ist ein kluger Schachzug, um die Blockadefront in den USA aufzuweichen. Aber nicht nur in den USA zeigt diese Strategie Wirkung, sondern auch in Kuba. Bei vielen ruft es Bitterkeit hervor, daß diejenigen, die die Insel verließen (damals als „Würmer“ beschimpft), nun als Kapitalisten zurückkehren dürfen – und dank ihrer Dollars mehr Rechte haben als die Kubaner, die ihrem Land treu geblieben sind.

Mit den Auslandsinvestitionen geht aber noch ein zweites Problem einher: das der Vertretung der Arbeiterinteressen. Denn es ist ja für die Beschäftigten etwas anderes, in einem sozialistischen Betrieb zu arbeiten oder für einen multinationalen Konzern. Bislang waren die offiziellen Gewerkschaften braver Transmissionsriemen der staatlichen Wirtschaftspolitik. Und die Führung des kubanischen Sozialismus zeigt bisher wenig Neigung, ihnen einen größeren Aktionsradius zuzugestehen. Bert Hoffmann

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