Krux mit Versammlungsrecht: Zelten weiter verboten
Mitte verbietet weiter Zelte, bietet aber Notunterkünfte an. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Berlin besonders streng bei Protesten gibt.
Der Bezirk Mitte bleibt hart: Eine Sondergenehmigung für die hungerstreikenden Flüchtlinge, vor dem Brandenburger Tor ein Zelt zum Schutz vor Kälte aufzubauen, wird es nicht geben, bekräftigte am Dienstag Bürgermeister Christian Hanke (SPD) – und handelte sich dafür Kritik ein.
„Dauerhafte Zeltstädte“ würden auf dem Platz grundsätzlich nicht genehmigt, sagte Hanke. „Da kann es für die Flüchtlinge keine Ausnahme geben.“ Hanke bot den Hungerstreikenden aber kostenlose Notübernachtungsplätze im Haus der Stadtmission in der Lehrter Straße an.
Dies lehnen die Flüchtlinge bisher ab. Sie fürchten, nach Verlassen des Platzes ihren Protest dort nicht fortsetzen zu können. Hanke nannte dies „unbegründet“: Der Protest sei ja bis 5. November genehmigt – nur eben ohne Camp.
Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, kritisierte Hanke scharf. Den Flüchtlingen „die Iso-Matten unter dem Hintern wegzuziehen“ sei „menschenunwürdig“. Schulz forderte Hanke auf, den Hungerstreikenden „sofort“ eine sogenannte Sondernutzung auszusprechen. Sein Bezirk duldet auf diesem Weg ein Flüchtlingscamp am Oranienplatz.
Kritik kommt inzwischen auch aus dem Bundestag. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck appellierte an Polizei und Bezirk, den Protest „nicht eskalieren zu lassen“. Wolfgang Neskovic (Linke) nannte die Beschlagnahmungen von Isomatten und Schlafsäcken durch die Polizei „verfassungswidrig“. Den Flüchtlingen stehe bei ihrem Protest per Versammlungsrecht Schutz vor Kälte zustehe.
Tatsächlich legt die Berliner Polizei das Versammlungsgesetz besonders streng aus. Schon der Occupy-Bewegung wurde 2011 verboten, Zelte aufzustellen. Gleiches galt zuvor schon für ein Anti-Atom-Camp auf dem Alexanderplatz. Für die Polizei haben die „Aufbauten“ keinen Bezug zum Protest. Auch könne, wer schlafe, nicht demonstrieren.
In Frankfurt oder Hamburg wurden Occupy-Zeltlager dagegen erlaubt. Auch das bayerische Verwaltungsgericht genehmigte im Mai ein "einsehbares" Zelt protestierender Flüchtlinge in Würzburg - da dieses durchaus Symbolwert für den Protest habe. Einige der Asylbewerber beteiligen sich nun an den Aktionen in Berlin. Das Oberverwaltung Berlin-Brandenburg untersagte dagegen im Agust das Flüchtlingscamp in Kreuzberg versammlungsrechtlich, weil es keinen Symbolwert für die Zelte anerkannte. Der Bezirk duldete diese später mit der Sondernutzung.
Eine solche lehnt Mitte ab – um keinen Präzedenzfall zu schaffen. Zelte auf städtischen Plätzen seien nur bei "überwiegend öffentlichem Interesse" zu genehmigen, so der Bezirk. Für Demonstrationen gelte das nicht. Unterstützer der Flüchtlingen reagierten darauf nun mit Anzeigen gegen Hanke – wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen die Hungerstreikenden.
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