Krümmel-Reaktor schon beim Bau verformt

■ Pfusch bei Neubau des AKW größer als erwartet. Strafanzeige gegen Siemens

Hamburg (taz) – Beim Bau des schleswig-holsteinischen Kernkraftwerkes Krümmel wurden Teile des Reaktordruckbehälters mit großem Kraftaufwand verformt und passend gemacht. Das berichtete am Donnerstag das ARD-Magazin „Monitor“. Um die meterhohen Stahlzylinder miteinander verschweißen zu können, versuchten die Monteure der Kraftwerksunion (Siemens), den um 23 Millimeter differierenden Reaktorteilen mit hydraulischen Pressen die richtige Größe zu geben. Doch nicht einmal das reichte aus: Sie mußten die Teile zusätzlich mit Ausgleichsschweißungen verbinden. Der „Koordinationskreis Siemens-Boykott“ hat daher gestern bei der Staatsanwaltschaft Lübeck Strafanzeige gegen die Siemens AG und deren Tochter KWU gestellt.

Schon das gewaltsame Zusammenpressen um nur einige Millimeter birgt die Gefahr, daß der Reaktordruckbehälter platzt, sagte der Leiter des „Institutes für Risikoforschung“ (Wien) Wolfgang Kromp gegenüber „Monitor“. Das Verfahren sei „abenteuerlich und völlig unzulässig“. Die mögliche Folge: Eine Atomkatastrophe, die den Super-GAU von Tschernobyl noch übertreffe.

Das Energieministerium von Schleswig-Holstein ordnete nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine außerplanmäßige Detailuntersuchung des Druckbehälters an. Die wird im Rahmen des gestern begonnenen Revisionsstillstandes durchgeführt. Zusätzliche Gutachter sollen in das erweiterte Prüfverfahren einbezogen werden. Der energiepolitische Sprecher der schleswig-holsteinischen Grünen, Ralf Henze, forderte die Landesregierung auf, „Krümmel sofort vom Netz zu nehmen“. Der Weiterbetrieb des Reaktors sei „sicherheitstechnisch nicht verantwortbar“. „Mit zunehmendem Alter des Stahls wird die Gefahr des Platzens immer größer“, befürchtet Henze.

Der Reaktorexperte Karsten Müller vom Öko-Institut Darmstadt befürchtet, daß die Brachialtechnik „Auswirkungen auf das Spannungsniveau im Reaktordruckbehälter“ habe, die sich „nicht richtig berechnen“ ließen. Müller: „Man muß sich fragen, welche Defizite es in dem Reaktor noch gibt“. Marco Carini