■ Kroatische Offensive in Bosnien und Kroatien: Die militärische Option
In Bosnien und in Kroatien hat niemand mehr Illusionen über die Politik der internationalen Organisationen. Die UNO und ihr Repräsentant vor Ort, Jasushi Akashi, werden nur noch ausgelacht. Auch die „Schnelle Eingreiftruppe“ der Briten und Franzosen hat sich bisher als Flop erwiesen. Und seit nach dem Fall von Srebrenica und Žepa die Nato beabsichtigt, die bosnische Enklave Goražde, nicht jedoch diejenige von Bihać zu verteidigen, hat auch sie an Reputation eingebüßt. Wie soll dieser Spagat normalen Menschen, die um ihr Überleben kämpfen, noch erklärt werden?
Zur Rechtfertigung wird von „Militärexperten“ und europäischen Politikern mit Lügen, Schutzbehauptungen und falschen Zahlen operiert. Žepa und Srebrenica seien nicht zu retten gewesen – obwohl schon die von den USA geschürte Diskussion über Bombenangriffe die serbischen Streitkräfte dort zögern ließ –, im Falle Bihać sei die Lage an den Fronten zu „unübersichtlich“. Militärische Argumente werden vorgeschoben, um ein politisches Ziel zu erreichen: Mit dem Fall der Enklaven soll eine „Verhandlungslösung“ über die Aufteilung Bosniens erleichtert werden. Dann wäre ein Wunsch für jene in Erfüllung gegangen, die wie Major, Kissinger, Akashi und vielleicht auch Chirac in einem Großserbien „ein stabilisierendes Element“ auf dem Balkan sehen.
Wahrscheinlich werden diese Hoffnungen jedoch enttäuscht. Denn die „Verhandlungsführung“ der internationalen Vermittler wird in Kroatien und Bosnien nicht mehr hingenommen – auch im Bewußtsein der eigenen militärischen Stärke. Mit dem Fall von Žepa und Srebrenica mag zwar der Eindruck von der ungebrochenen Militärmacht der Serben unterstrichen worden sein, in Wirklichkeit steht den serbischen Extremisten in Pale und Knin das Wasser bis zum Hals. Seit sich im Herbst letzten Jahres das Blatt im Kriege zu wenden begann, haben die bosnische und die kroatische Armee an wichtigen strategischen Punkten Erfolge vorzuweisen. Die Offensive der Bosnier zur Befreiung Sarajevos und Goraždes geht Schritt für Schritt weiter, die Eroberung Bosansko Grahovos ist Resultat einer langfristig angelegten Offensive der bosnischen Kroaten. Der kroatische Präsident Tudjman will nach der Rückeroberung Westslawoniens im April jetzt die serbischen Extremisten der Krajina zur Kapitulation zwingen – entweder durch direkte (!) Verhandlungen oder aber durch die militärische Gewalt. Die Menschen in der bosnischen Enklave Bihać könnten davon profitieren.
Angesichts des bisherigen Verhaltens der internationalen Institutionen gibt es zu dieser Politik der Stärke keine Alternative mehr – die internationalen Verhandler haben ja mit ihrer Strategie, den anfänglich militärisch erfolgreichen Serben entgegenzukommen, gerade die militärische Gegenreaktion der Kroaten und Bosnier provoziert. Daß die militärische Rückeroberung der serbisch besetzten Gebiete große Risiken in sich birgt, weil Raketenangriffe auch auf die kroatischen Städte zu erwarten sind, wird von der kroatischen Bevölkerung nach all den negativen Erfahrungen mit den internationalen Institutionen hingenommen. So hat Tudjman auch innenpolitisch den Rücken frei für die militärische Option. In dem unter amerikanischer Mithilfe zustandegekommenen Beistandspakt mit Bosnien hat er Kroatien sogar dazu verpflichtet, den in Bihać bedrängten Menschen zu Hilfe zu kommen. Die Weichen für eine militärische Lösung sind gestellt, auch von denjenigen Politikern in den USA, die nicht wie Kissinger den großserbischen Ambitionen nachgeben wollen. Daß Milošević, der bisher keine militärische Option scheute, plötzlich um Frieden bittet, zeigt an, wie ernst die Lage für die krajina-serbische Führung ist. Erich Rathfelder
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