Kritische Töne zu Krümmel: Merkel sauer auf Vattenfall
Wahlkampf oder nicht: Nun erklärt auch die Kanzlerin, sie sei unzufrieden mit Vattenfall. Und Gabriel bezieht seinen Strom inzwischen von Lichtblick.
BERLIN dpa/rtr/taz | Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach der Pannenserie im Atomkraftwerk Krümmel Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Betreiberfirma Vattenfall. Die Kanzlerin sagte am Sonntagabend in der ARD, sie sei "sehr, sehr unzufrieden" mit Vattenfall. Die zuständigen Behörden müssten nun entscheiden, ob wieder Vertrauen einkehren könne oder nicht.
"Es kann einem schon der Zorn ins Gesicht steigen, wenn man sieht, was dort passiert ist", sagte Merkel. Nach zwei Jahren Reparatur sei die Situation in Krümmel die gleiche wie vorher. Krümmel bei Hamburg war nur zwei Wochen nach der Wiederinbetriebnahme wegen mehrerer Störfälle vom Netz gegangen. Der Reaktor war wegen eines Transformatorenbrandes zwei Jahre lang abgeschaltet gewesen.
Mit diesen deutlichen Worten stellt sich nun die Kanzlerin, nach anderen Unions-Kollegen wie dem Hamburger Bürgermeister Ole von Beust, ebenfalls klar gegen Vattenfall. Einerseits tut sie das vermutlich, weil Krümmel den Atomkraft-Befürwortern derzeit das Leben sehr schwer macht. Andererseits, weil offenbar auch die Union im Wahlkampf nicht den Eindruck erwecken will, sie gehe bei der Sicherheit der Akw Kompromisse ein.
Merkel räumte ein, dass die große Koalition beim Thema Atommüll keine Fortschritte erzielt habe. "Die Endlagerfrage ist leider ungeklärt." Sie warf Gabriel und anderen Gegnern der Atomkraft vor, den Ausbau des Zwischenlagers Gorleben zum Endlager durch die Suche nach Alternativen zu verzögern. "Wir hätten weit kommen können, wenn der Umweltminister es gewollt hätte", sagte Merkel in der ARD.
Gabriel verbraucht Ökostrom
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) legte den Verbrauchern einen Wechsel des Stromanbieters nahe. Er will damit Druck auf den schwedischen Kraftwerksbetreiber ausüben, den abgeschalteten Atommeiler im norddeutschen Geesthacht nicht wieder ans Netz zu nehmen. "Vattenfall sollte nicht ernsthaft auf die Idee kommen, Krümmel wieder hochzufahren", sagte der Umweltminister dem Hamburger Abendblatt.
Gabriel teilte mit, er sei vor einiger Zeit zu dem Anbieter Lichtblick gewechselt. "Der Verbraucher ist der Souverän. Jeder kann Vattenfall verlassen, wenn er mit der Unternehmenspolitik nicht einverstanden ist."
Der bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU) sagte im Phoenix-Interview, er sei "kein Fetischist" der Kernenergie-Technologie – er halte sie für eine Brückentechnologie. "Ich will möglichst viel Geld daraus ziehen, um in regenerative Energien zu investieren." Dafür brauche man aber Zeit. Er bekräftigte damit die Absicht der Union, bei verlängerten Atommeiler-Laufzeiten die damit verbundenen Einsparungen bei den Konzernen in Form eines Fonds für die Ökotechnologien abzukassieren.
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