DAS EUROPÄISCHE SOZIALFORUM IN LONDON ZEIGT: : Kritik braucht weiter Koordination
An die organisatorischen Probleme bei Transport zu, Essen bei und Unterkunft während Großveranstaltungen wie dem Europäischen Sozialforum ESF haben sich die Globalisierungskritiker inzwischen gewöhnt. Auch die nervigen Übernahmeversuche durch trotzkistische Gruppen wie der britischen Socialist Workers Party oder die unvermeidlichen T-Shirt-Verkaufsstände werden routiniert ignoriert. Die Kritik, die beim 3. ESF in London aus der Mitte der Bewegung kommt, geht in eine andere Richtung: Teilnehmer, die schon bei früheren Treffen dabei waren, beklagen, dass nichts Neues passiert. Und immer mehr Aktivisten fragen sich, ob hier nicht zu viel Zeit und Energie mit Mammutereignissen verplempert wird.
Angesichts dessen ist es eine gute Idee, dass die ESF-Organisatoren jetzt erst mal ein Jahr pausieren wollen und das nächste Sozialforum erst 2006 stattfinden soll. Denn die Treffen tragen zwar viel zur Selbstvergewisserung der Bewegung bei – doch Kampagnen bringen sie kaum noch auf den Weg. Die werden inzwischen in gut organisierten Netzwerken geplant, etwa zwischen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften.
Doch auch wenn das Europäische Sozialforum pausiert: Die Bewegung darf nicht auf europaweite Koordination verzichten. Auf nationaler Ebene lässt sich zwar am besten mobilisieren, wie die Montagsdemos gegen die Hartz-Gesetze in der Bundesrepublik gezeigt haben. Doch die Ursachen für den nationalen Sozialabbau, die den Globalisierungskritikern ja so am Herzen liegen, lassen sich eben nur auf europäischer und internationaler Ebene bekämpfen. Für die Kampagne gegen den Richtlinienvorschlag der Europäischen Union zur Liberalisierung des Dienstleistungsmarkts etwa braucht das Bündnis die Unterstützung von Parlamentariern aus ganz Europa. Vielleicht schaffen es die Aktivisten ja, die Zeit, die sie sonst für die Organisation des nächsten gemeinsamen Sozialforum-Seminars aufgewandt hätten, für effektives Lobbying zu verwenden.
Andererseits sollte man auch nicht ganz auf das Europäische Sozialforum verzichten. Viele der Netzwerke sind schließlich selbst Kinder früherer internationaler Treffen. Deren wichtigster Wert liegt wohl ohnehin eher in dem mobilisierenden Gefühl, in dem Protest nicht alleine zu sein.
Dass mit Athen eine südosteuropäische Stadt den Zuschlag für das ESF 2006 erhalten hat, ist daher zu begrüßen – schließlich sind Südost- und Osteuropa bisher weitgehend weiße Flecken auf der globalisierungskritischen Landkarte. Das Europäische Sozialforum 2006 könnte also nach einer kleinen Denk- und Arbeitspause wieder frischen Wind in die Bewegung bringen. NIKOLAI FICHTNER