Kritik an Schulpolitik II: CDU geht auf Talentsuche
Das Bildungskonzept der Union setzt statt auf Gemeinschaftsschule auf ein durchlässiges dreigliedriges System. Gymnasien sollen ausgebaut werden und besser fördern, die Hauptschulen stärker praxisorientiert arbeiten.
So richtig knackig selbstbewusst wirkt es nicht, das Bildungskonzept für Berlin, das die CDU am Montag vorstellte. Statt Schulformen zu benennen, reden die Christdemokraten schwammig von verschiedenen "Bildungsgängen". Die heißen dann auch nicht etwa Haupt- oder Realschule, sondern etwas verschämt und schüchtern "P", "M" und "G". Und statt wie Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) bei der grafischen Darstellung seiner Schulkonzeptvorschläge mit kantigen Blöcken in knalligem Lila, Rot und Grün zu arbeiten, ist das Modell der CDU eine Scheibe. Eine runde Scheibe mit Abschnitten in milden Blau- und sanften Grüntönen, die wirken, als würden sie zum Kreisen gebracht verschwimmen, die Übergange sich auflösen und der Betrachter hypnotisiert.
Trotz verschwimmender Übergange: Die Gemeinschaftsschule lehnt die CDU weiterhin eindeutig ab. O-Ton CDU-Chef Frank Henkel: "Wir brauchen keine Einheitsbildung, denn es gibt kein Einheitskind." In den drei verschiedenen Bildungsgängen "P", "M" und "G" sollen die Kinder nach den Vorstellungen der Christdemokraten stattdessen spätestens ab der siebten Klasse getrennt lernen, mit verschiedenen Lehrplänen und unterschiedlichen Unterrichtskonzepten: Sehr praxisnah etwa im inklusive Grundschule neunjährigen Bildungsgang "P", der eine enge Verknüpfung zwischen schulischem Lernen und Berufspraktika, die schließlich zu eigenen Zertifikaten führen sollen, vorsieht.
Immerhin will die CDU die Übergange zwischen den verschiedenen Bildungsgängen offener machen, als sie bisher sind. Durch gezielte "Talentsuche" und Förderung etwa: "Unser Modell soll ein Aufstiegsmodell sein", sagt Eva-Maria Kabisch. Die ehemalige Oberschulrätin und Exkandidatin für das Amt der Schulsenatorin im vergangenen Wahlkampfteam sitzt der Kommission vor, die das Bildungskonzept erarbeitete. Die Christdemokraten können sich sogar vorstellen, verschiedene Bildungsgänge unter einem Schuldach zu vereinen: Gesamtschule à la CDU.
Doch bei aller Durchlässigkeit: Am Gymnasium will die CDU nicht nur festhalten, sie will es ausbauen, vor allem den grundständigen Zweig, der bereits ab der 5. Klasse SchülerInnen aufnimmt. Bis zu dreimal so viele Plätze seien nötig, um den Bedarf an dieser Schulform zu decken, so CDU-Chef Henkel. Immerhin: Das Probehalbjahr will auch die CDU nicht mehr haben. Stattdessen sollen Aufnahmekriterien so gestaltet werden, dass, wer aufs Gymnasium kommt, dort auch bleibt. Dafür soll es besser fördern. Das hat Schulsenator Zöllner schon mal ganz ähnlich gesagt.
Felicitas Tesch, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sieht dennoch keine große Nähe zu den Vorstellungen der rot-roten Koalition: "Wenig Neues und viel Wischiwaschi", lautet ihr Kommentar zum Bildungsplan der CDU. Forderungen wie bessere Lehrerbezahlung, vorschulische Sprachtests oder frühkindliche Förderung habe die Koalition längst erfüllt.
Auch Kollegin Mieke Senftleben von der FDP findet, die Christdemokraten hätten zu wenig eigene Ideen in ihr Bildungskonzept eingebracht: Vieles darin sei "längst Allgemeingut", meint die Liberale. Ihr fehlt in dem starren Konzept vor allem Raum für mehr Eigeninitiative der Schulen: "Die Erfahrung zeigt, dass die besser sind, je mehr sie selbst entscheiden dürfen", so Senftleben. ALKE WIERTH
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