Kritik an Roland Jahn: SPD nennt Stasi-Beauftragten "Eiferer"
Die Stasi-Unterlagenbehörde ist "keine Einrichtung, in der es um Menschenjagd geht", sagt Dieter Wiefelspütz. Weil Roland Jahn Ex-Stasi-Mitarbeiter versetzen will, kritisiert ihn die SPD massiv.
BERLIN epd | Der neue Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, sieht sich heftiger Kritik aus der SPD ausgesetzt. Der frühere DDR-Bürgerrechtler sei ein "Eiferer" und verfolge seine Absicht, rund 50 ehemalige Stasi-Mitarbeiter aus seiner Behörde zu entfernen, mit "Schaum vorm Mund", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, dem Focus. Die Stasi-Unterlagenbehörde sei aber "keine Einrichtung, in der es um Menschenjagd geht".
Union und FDP wiesen die Kritik zurück. "Die ehemaligen Stasi-Leute ausgerechnet in dieser Behörde sind eine Zumutung für alle, die in einem kritischen Verhältnis zu diesem Staat gestanden haben", erklärte der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Arnold Vaatz. Der Berichterstatter der FDP für die Aufarbeitung des DDR-Unrechts, Patrick Kurth, kündigte ein parlamentarisches Nachspiel an. Die "schamlosen und widerwärtigen Opferbeleidigungen" von Wiefelspütz seien durch nichts zu rechtfertigen, so Kurth.
Die Stasi-Mitarbeiter waren bei Gründung der Behörde in den Dienst übernommen worden. Jahn hatte gleich nach seinem Amtsantritt Mitte März ein arbeitsrechtliches Gutachten in Auftrag gegeben. Es soll Möglichkeiten aufzeigen, die früheren Stasi-Mitarbeiter aus der Behörde zu entfernen und Medienberichten zufolge bis Ende des Monats vorliegen.
"Mein Ziel heißt Versöhnung"
Gegenüber dem Tagesspiegel am Sonntag bekräftigte Jahn sein Ansinnen, ohne auf die Vorwürfe von Wiefelspütz reagieren zu wollen: "Mein Ziel heißt Versöhnung." Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erklärte Jahn, dass die Glaubwürdigkeit der Behörde wegen der dort beschäftigten Stasi-Mitarbeiter leide. Gemeinsam mit den Betroffenen, dem Bundestag und dem Bundeskanzleramt suche er nach Möglichkeiten, "dass die Leute, die 20 Jahre gut gearbeitet haben, in Behörden arbeiten können, die nicht so sensibel sind". Zuvor hatte Jahn in Interviews unterstrichen, dass er "strikte Rechtsstaatlichkeit" wahren wolle.
Der Bundesbeauftragte forderte seinerseits CDU und Linkspartei auf, ihre eigene DDR-Vergangenheit kritisch aufzuarbeiten. Als Nachfolgepartei der SED sei die Linkspartei "in der Verantwortung, die Karten auf den Tisch zu legen", aber auch die Union "könnte mehr zur Erforschung der DDR-Blockpartei CDU beitragen", sagte Jahn.
Jahn war Ende Januar mit großer Mehrheit vom Bundestag zum Nachfolger von Marianne Birthler gewählt worden, darunter auch von Wiefelspütz. Der SPD-Politiker bedauert nun aber seine Stimmabgabe: "Ich habe ihn gewählt, aber ich habe mich geirrt."
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