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Kritik an Militärparade in ParisGrüne Spitzenkandidatin abgewatscht

Eva Joly hat die Parade zum 14. Juli auf den Champs-Elysées als überholt kritisiert. Das rüttelt die Patrioten auf. Sie sprechen ihr ab, als "Norwegerin" überhaupt mitreden zu dürfen.

Kritik an der militärischen Pose der Grande Nation? Geht gar nicht, finden viele Franzosen. Bild: afp

PARIS taz | Schon ihre erste öffentliche Wortmeldung seit ihrer Nominierung hat eine heftige und aggressive patriotische Breitseite der nationalistischen Rechten hervorgerufen. Für ihre Gegner ist die grüne Präsidentschaftskandidatin Eva Joly (67) in ein Fettnäpfchen getreten. Sie hat nämlich vorgeschlagen, die ihrer Ansicht nach völlig anachronistische Militärparade zum Nationalfeiertag am 14. Juli solle durch einen friedlichen Umzug von Bürgern und Kindern zur Feier der Grundwerte der Republik ersetzt werden.

Sie rührte damit an den Nationalstolz und einen heiligen Kuh der französischen Patrioten, für die - auch nach der Abschaffung der Wehrpflicht - die Streitkräfte ein Symbol der Nation und die jährlichen Paraden auf den Champs-Élysées ein Zeichen ihrer Verbundenheit mit dem Volk sind.

Joly, die sich selbst durchaus als "nicht antimilitaristisch" bezeichnete, wurde von rechts und zum Teil auch von links sehr scharf angegriffen. Nicht nur von Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National, sondern auch von zahlreichen Sprechern der rechten Regierungspartei UMP wurde ihr das Recht abgesprochen, sich als "Norwegerin" zu Themen zu äußern, von denen sie offenbar nichts verstehe.

Premierminister François Fillon blies ins selbe Horn: "Ich glaube, diese Dame besitzt keine besonders lange Kultur der französischen Traditionen, Grundwerte und Geschichte." Unbeeindruckt antwortete ihm Joly, sie lebe seit 50 Jahren in Frankreich und sei darum ebenso Französin wie er, im Übrigen bleibe sie bei ihrem Vorschlag.

Dass schließlich aber Fillon und andere Joly ihre ausländische Herkunft vorwerfen und damit am Verfassungsgrundsatz der Gleichheit der Bürger ungeachtet ihrer Herkunft rührten, konnten nun auch die Sozialisten nicht unwidersprochen lassen, die zunächst Jolys antimilitaristischen Vorstoß als ungeschickt kritisiert hatten. Mit seinen Äußerungen trete Fillon die Grundwerte der Republik mit Füßen, und er begebe sich in die Niederungen des FN, sagte Parteichefin Martine Aubry.

Es sei eines Regierungschefs unwürdig, eine Gegnerin wegen ihrer Herkunft zu diskreditieren, meinten die linken Oppositionspolitiker François Holland und Manuel Valls. Präsident Nicolas Sarkozy, Sohn eines ungarischen Einwanderers, hüllt sich in vornehmes Schweigen.

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6 Kommentare

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  • A
    antiantiantianti

    Mooooooment! Hierbei fehlen einige Differenzierungen. In Frankreich ist jeder Bürger der dort geboren ist, unabhängig von Hautfarbe, Religion oder Herkunft. Damit ist Sarkozy auch wenn er Nachkomme ungarischer Migranten ist ein waschechter Franzose, während eine Norwegerin die mit 17 ins Land gekommen ist nur die französische Staatsbürgerschaft innehat.

     

    Meiner Meinung nach sollten unsere Grünen Freunde sich mal überlegen, ob es Sinn macht den Leuten zu erzählen wir würden in der Umwelt den Ast absägen auf dem wir sitzen, wenn sie dann ständig in der Gesellschaft den Ast absägen auf dem sie(!) sitzen.

  • M
    manu

    Nicolas Sarkosy ist nicht nur Sohn eines ungarischen Einwanderer, sondern auch mutterseits Enkel eines osmanischen Juden aus Saloniki. Er ist für die rechtspopulisierung bzw. "Lepenisierung" der Politik seiner Regierung 100% verantwortlich. Wir erleben in Europa von den Politikern künstlich geschaffene und gefährliche Tendenzen...

  • S
    Sandro

    Ich war dieses Jahr auch endlich mal bei dieser Parade. War einfach klasse dort, für nächstes Jahr ist der Urlaub auch schon eingereicht. So Militärparaden haben einfach was. Da können wir hier in Europa noch so einiges von Russland, China und Nordkorea lernen. Man muss den Kommunismus/Sozialismus nicht mögen, aber bei Paraden sind die ganz vorne dabei. Traurig das die Linken in Deutschland da so ablehnend sind.

  • VN
    Veldig Norsk

    Hihi, das nenne ich norwegische Subversität!

     

    Man sollte zum besseren Verständnis noch hinzufügen, dass der norwegische Nationalfeiertag traditionell nicht, oder nur mit wenig, Militär begangen wird. Zur Feier des Tages ziehen Schulkinder in einer langen Parade durch die Stadt und am unermüdlich winkenden Königspaar vorbei. Dabei werden Fähnchen geschwungen und Blasmusik produziert (für den Umzug wird das ganze Jahr geprobt, die Instrumente werden hauptsächlich durch Flohmärkte finanziert). Traditionell gibt's Würstchen und Eis, und die Erwachsenen schmeißen sich in die traditionelle Tracht.

     

    Am Anfang fand ich als Deutscher den Anblick fähnchenschwingender Kinder, die am Staatsoberhaupt vorbeiparadieren, etwas beklemmend, aber Norwegen hat halt eine andere Geschichte. Und mittlerweile sehe ich es auch als eine Botschaft Norwegens an andere, mehr Militär-orientierte Länder: Ihr habt Eure Raketen und Panzer, auf die ihr stolz seid, wir haben unsere Kinder als größten Reichtum des Landes. Was wohl zukunftsorientierter ist?

  • EA
    Enzo Aduro

    Wenn eine Demokratie sich eine Armee gönnt die bereit ist sich irgendwo auf der Welt für Ihre interessen den Schädel wegballern zu lassen, dann sollte Sie Ihnen auch den repräsentativen Auftritt am Nationalfeiertag gönnen.

  • GM
    Gosig Mus

    Wieso das ein Fettnäpchen sein soll, erschließt sich mir nicht.