: Kritik an „Atomkolonialismus“
Vor Eon-Hauptversammlung: Internationaler Protest gegen AKW-Pläne im Ausland
BERLIN taz ■ Wenn die Aktionäre des nordrhein-westfälischen Energiekonzerns Eon heute in die Essener Grugahalle zur Hauptversammlung des Energiekonzerns strömen, dürfte ihnen ein Protesttransparent ins Auge fallen. Damit wollen finnische, russische und slowakische Umweltschützer, unterstützt von der deutschen Gruppe Urgewald, auf die Atompläne des Energieriesen in ihren Ländern aufmerksam machen. Da die Atomkraftgegner auch im Besitz von Eon-Aktien sind, werden sie von ihrem Rederecht auf der Hauptversammlung Gebrauch machen – und mögliche Projekte des Konzerns ausführlich kritisieren. Der Kern der Kritik: Eon versuche, außerhalb Deutschland unter Umgehung von Sicherheitsstandards neue Atomreaktoren zu bauen, um den dort produzierten Strom – der vor Ort gar nicht gebraucht werde – billig reimportieren zu können.
Am weitesten scheinen die Pläne in Finnland vorangeschritten zu sein. In einigen Tagen schon wolle Eon ein Grundstück in Loviisa, 80 Kilometer östlich von Helsinki, kaufen, sagte Ulla Klötzer von der finnischen Organisation „Frauen gegen Atomkraft“. Ein neues Atomkraftwerk sei aber überhaupt nicht notwendig. Setze man auf effizienten Energieeinsatz und erneuerbare Energien, ließen sich allein im bevölkerungsarmen Finnland 2,7 Atommeiler ersetzen. „Gerade Loviisa würde sich hervorragend für Windkraftanlagen eignen“, so Klötzer. Sie fürchtet, dass finnischer Atomstrom in andere EU-Länder oder nach Russland exportiert werden könnte. „Das ist Atomkolonialismus pur.“ Zudem bereitet Klötzer die mögliche Einrichtung eines Atommüllendlagers im Südwesten Finnlands Sorge, in das andere europäische Länder ihren radioaktiven Abfall schicken könnten.
In der Diskussion steht ebenfalls ein neuer Nuklearreaktor im westslowakischen Bohunice. Hier sei Eon Kandidat für eine Beteiligung, so Jan Baranek von Greenpeace Slowakei. „Die slowakische Regierung hat schon bewiesen, dass sie überaus gelassen in Bezug auf atomare Risiken ist.“ Sie habe alte russische Reaktoren ohne Sicherheitsbehälter genehmigt, die 2010 ans Netz gehen sollen. Unakzeptabel sei, dass „deutsche Firmen das atomare Risiko ins Ausland exportieren, wo nicht einmal schwache Standards eingehalten werden“. Beranek: „Doppelte Standards und Risikoexport sind eine neue Form von Kolonialismus, die nicht passieren darf.“
Eon reagierte gestern zurückhaltend auf die Vorwürfe. „Wir stehen zum Atomausstieg in Deutschland“, sagte ein Unternehmenssprecher – obwohl man angesichts der Debatte um den Klimaschutz darüber nachdenken müsse. In Ländern, die gegenüber der Atomenergie offener seien, interessiere sich der Konzern aber für atomare Projekte – wenn sie sich rechneten. „Es gibt aber noch keine konkreten Beschlüsse.“ Allerdings bestätigte der Sprecher den Grundstückskauf in Finnland. Wofür das Gelände benötigt werde, wisse er jedoch nicht. Mit einem Atomkraftwerk müsse das nicht unbedingt etwas zu tun haben. „In Krk in Kroation haben wir auch gerade ein Grundstück gekauft – für eine Flüssiggasanlage.“ RICHARD ROTHER