Krise spaltet Kenia in Milizengebiete: Annans Vermittlung ohne Erfolg
Bei den Klausurgesprächen finden Kenias Regierung und Opposition nicht zueinander. Das Lager von Präsident Kibaki will die Macht nicht mit seinen Gegnern teilen.
Um die Krise in Kenia zu lösen, hatte Vermittler Kofi Annan Anfang dieser Woche zu einem Trick gegriffen: Zwei Tage in einer luxuriösen Lodge mit Blick über die weiten Savannen des Tsavo-Nationalparks sollten den Unterhändlern von Regierung und Opposition helfen, ihren eigenen Horizont zu erweitern - und fernab von Kameras und neugierigen Journalisten aufeinander zuzugehen. Doch als der ehemalige UN-Generalsekretär gestern am frühen Abend vor die Presse trat, stand fest: Ab Dienstag wird weiterverhandelt. Es sei "zwingend", dass die beiden Parteien eine "breite Koalition" bilden, sagte Annan - und genau das haben sie noch nicht getan.
Zwar haben sich beide Seiten auf die Gründung einer unabhängigen Untersuchungskommission wegen der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom 27. Dezember geeinigt und auch auf die Ausarbeitung einer neuen Verfassung binnen eines Jahres. "Die Frage der Regierungsbildung ist die letzte, die noch offen ist", so Annan. Er versicherte, so lange im Land zu bleiben, bis die Krise gelöst sei, aber das könnte dauern: "Eine Karawane bewegt sich nur so schnell wie die langsamste Abteilung."
Die ist eindeutig die Regierung. Präsident Kibaki soll, so ihre Forderung, auch oppositionelle Regierungsmitglieder benennen und entlassen dürfen; der von der Opposition geforderte Posten des Premierministers soll allenfalls zeremonielle Funktionen haben und vom Präsidenten benannt werden; und Kibaki soll volle fünf Jahre im Amt bleiben.
Für die Opposition, die der Regierung bereits weit entgegen gekommen ist, etwa durch den Verzicht auf Kibakis sofortigen Rücktritt, sind diese Bedingungen untragbar. Kein Wunder, dass die Chefin des Regierungsteams, Justizministerin Martha Karua, nach ihrer Rückkehr aus Tsavo sagte: "Optimismus ist das eine, die Realität das andere. Wir machen Fortschritte, aber eine Einigung gibt es nicht." Auf die jüngste Erklärung des britischen Außenministers David Miliband, man erkenne Kibaki nicht als den rechtmäßigen Präsidenten Kenias an, schoss sie zurück: "Wir sind keine Kolonie."
Wenn die auch nach Meinung von Wahlbeobachtern nur durch Fälschungen an der Macht gebliebene Regierung Kibaki so unnachgiebig bleibt, so die Angst, könnte es schon bald neue Ausschreitungen im Land geben. Denn das ist längst nicht zur Normalität zurückgekehrt, was man in den plüschigen Sälen des Serena-Hotels, wo die Verhandlungen stattfinden, leicht verdrängen kann. So werden die Städte Naivasha und Nakuru im südlichen Rift Valley seit Wochen von Mungiki regiert, einer mafiösen Kikuyu-Miliz, hinter der Hardliner aus Regierung und Wirtschaft stecken sollen. Die Mungiki terrorisieren selbst die eigene Volksgruppe, erpressen Schutzgelder und geben eigensinnige Regeln aus: Etwa die, Frauen dürften keine Hosen mehr tragen. "Diese Belästigungen sind nicht nur gesetzeswidrig, sondern schlicht barbarisch", kritisiert die Chefin von Kenias Juristinnenverband, Violet Awori. Doch unternimmt niemand etwas gegen die Milizen.
In der Oppositionshochburg Kisumu im Westen des Landes, die während der Proteste gegen Kibakis Wiederwahl weitgehend in Schutt und Asche gelegt wurde, herrscht unterdessen Anarchie. Staat und Polizei, so berichten Einwohner, hätten keine Kontrolle mehr über die Gangs. "Kenia gehört nicht den Politikern, und wenn es so weitergeht, haben sie bald kein Land mehr, das sie regieren können", warnt etwa der in Kisumu arbeitende Jurist James Mwamu. Jugendliche, die ohne Job dastünden, überfielen jeden, wo etwas zu holen sei.
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