Krise im Iran: Ahmadinedschad opfert Vertrauten

Der erst kürzlich ernannte Stellvertreter des iranischen Staatspräsidenten muss sein Amt wieder abgeben und wird dessen Bürochef. Derweilen steigt die Zahl der Folteropfer in den Gefängnissen.

Esfandiar Rahim Maschaie: "In den USA lebt eines der besten Völker der Welt." Bild: dpa

Nach tagelanger Kraftprobe zwischen dem Revolutionsführer Ali Chamenei und Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad musste der angeblich frisch gewählte Präsident nachgeben und seine vor wenigen Tagen erfolgte Ernennung seines ersten Stellvertreters Esfandiar Rahim Maschaie am Sonnabend zurücknehmen. Die Ernennung hatte in Kreisen der Konservativen heftige Kritik ausgelöst.

Maschaie gehört zu den engsten Vertrauten Ahmadinedschads. Die beiden sind eng miteinander befreundet. Zudem ist der Sohn Ahmadinedschads mit der Tochter Maschaies verheiratet. Grund genug für Ahmadinedschad, nach seiner Amtsübernahme 2005 den alten Freund in sein Kabinett zu holen.

Maschaie übernahm die Verantwortung für Tourismus und Kulturerbe. Doch der neue Mann leistete sich immer wieder Ausrutscher. Zum Beispiel sagte er einmal ungeachtet der feindlichen Stimmung, die der Regierungschef gegen Israel und die USA zu erzeugen versuchte, Iraner seien "Freunde aller Völker, auch der Israelis" und in den USA lebe "eines der besten Völker der Welt".

Umso erstaunlicher war, dass Ahmadinedschad ausgerechnet ihn zum Vizepräsidenten ernannte. Der Teheraner Prediger Ahmad Chatami bezeichnete die Ernennung als "Ohrfeige für die Wähler" und der Hardliner Hossein Schariatmadari schrieb in der Zeitung Kayhan, die Ernennung habe "eine Welle der Überraschung, vermischt mit Bedauern und Sorge" hervorgerufen.

Doch der Regierungschef ignorierte die Proteste, und sein neuer Vize bezeichnete Gerüchte über seinen Rücktritt als "Lüge", die von "Feinden der Regierung" verbreitet worden sei. Da musste der Revolutionsführer persönlich einschreiten. "Es ist notwendig, dass die Ernennung widerrufen wird", verordnete er in einem kurzen Schreiben am Freitag an den Präsidenten.

Die Berufung sei "gegen die Interessen der Regierung", sie werde "Zwietracht und Frustration" unter ihren Anhängern hervorrufen. Ahmadinedschad blieb kein anderer Ausweg, als diese erste Niederlage nach seiner angeblichen Wiederwahl einzustecken. Am Sonnabend erklärte Maschaie: "Nach der Anweisung des Obersten Führers betrachte ich mich nicht mehr als erster Vizepräsident."

Aber der trotzige Präsident wollte die Niederlage nicht ohne Widerstand hinnehmen. In einer ungewöhnlich kurzen Mitteilung schrieb er an den Revolutionsführer: "Ihre Anweisung wurde gemäß Artikel 57 der Verfassung ausgeführt." Der Artikel erlaubt dem Revolutionsführer in allen Angelegenheiten des Staates die letzte Entscheidung zu treffen. Zudem ernannte Ahmadinedschad wenige Stunden später Maschaie zu seinem Berater und Bürochef.

Am Sonnabend ist es in Teheran und anderen Städten wieder zu Zusammenstößen gekommen. Augenzeugen berichten, Zivilbeamte und Angehörige der Bassidsch-Miliz seien gewaltsam gegen friedlich protestierende Demonstranten vorgegangen. Dabei seien Knüppel und Tränengas eingesetzt und wieder einige Demonstranten, darunter auch Verletzte, festgenommen worden.

Wo die rund 2.000 Gefangene, die seit der Wahl festgenommen wurden, untergebracht sind, ist in den meisten Fällen nicht bekannt. Immer wieder werden Familien aufgefordert, die Leichen ihrer Angehörigen abzuholen. Es handelt sich offenbar um Gefangene, die zu Tode gefoltert wurden. Auch der 25-jährige Sohn eines Beraters des gescheiterten Präsidentschaftskandidaten Mohsen Resai kam, wie am Sonnabend bekannt wurde, im Gefängnis ums Leben.

Das brutale Vorgehen gegen Demonstranten war auch Anlass für einen offenen Brief führender Reformer an die geistlichen Instanzen. Man mache sich große Sorgen um den Gesundheitszustand der Verhafteten, hieß es in dem Brief, der unter anderem vom früheren Staatspräsidenten Mohammad Chatami, Parlamentspräsidenten Mehrdi Karrubi und Ministerpräsidenten Mir Hossein Mussawi unterzeichnet wurde. Sie fordern die schiitischen Großajatollahs auf, nicht mehr zu den Vorgängen im Land zu schweigen.

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