Krippen: Hamburg steht zum Ausbau
4.000 Plätze plant der Senat bis 2013, um den Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren zu erfüllen. Sozialsenator Wersich distanziert sich von Roland Kochs Spar-Idee.
Kaum waren die Stimmzettel in Nordrhein-Westfalen ausgezählt, brachte Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch einen Sparvorschlag aufs Tapet. Man müsse prüfen, ob die für 2013 geplante Garantie eines Kindergartenplatzes für Kinder unter drei Jahren "noch finanzierbar" sei. Hamburgs Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) distanziert sich von diesem Plan: "Ich fände es falsch, den Ausbau der Kita-Betreuung zur Vereinbarung von Familie und Beruf zu stoppen", sagte er der taz.
Hamburg hat sich schon auf den Weg gemacht, um den Rechtsanspruch zu erfüllen. Für 35 Prozent der Null- bis Dreijährigen soll jedes Land bis 2013 einen Krippenplatz bereit halten, so lautet die gültige Vereinbarung mit dem Bund. Die Hansestadt hat seit Start des Ausbauprogramms im Jahr 2008 insgesamt 2570 Krippenplätze in Kitas und 360 Plätze in der Tagespflege gefördert. Insgesamt wurden Ende vorigen Jahres 13.600 unter drei Jahre alte Kinder öffentlich betreut, das sind 28,3 Prozent. Um die Lücke zu besagten 35 Prozent zu füllen, sollen von 2010 bis 2013 jährlich 1.000 Plätze hinzu kommen. "Wir sind zuversichtlich, diese 4.000 Plätze zu schaffen, da die Kita-Träger hier sehr rege sind und auf die Nachfrage der Eltern reagieren", sagt Sozialbehördensprecherin Julia Seifert. Der Bund zahlt den Löwenanteil der Investitionen, zahlt aber anschließend nur einen Teil der jährlichen Kosten.
Was Wersich zu der Bemerkung veranlasst, man müsse das Angebot weiter ausbauen, "selbst wenn man dazu unpopuläre Beschlüsse zur Finanzierung treffen und die Eltern an den Kosten beteiligen muss". Es sei wichtiger, dass es Angebote für alle Kinder gebe, als "kostenlose Plätze für einige".
Familienstand: In Hamburg sind rund 220.000 Eltern verheiratet, 22.000 leben mit ihrem Partner, 43.600 sind allein erziehend.
Einkommen: 54 Prozent der Mütter leben von Erwerbstätigkeit, 27,5 Prozent von Gehalt ihres Partners oder anderer, 13,2 Prozent von Hartz IV.
Je jünger das Kind, desto seltener arbeitet Mutter. Bei unter dreijährigen sind es 45,5 Prozent, bei drei- bis fünfjährigen 57,9 Prozent, bei sechs- bis neunjährigen 66,4 Prozent, bei zehn- bis 14-jährigen 71,8 Prozent. Bei Vätern ist das egal.
Teilzeit: Nur jede dritte Mutter arbeitet voll. (Quelle: HWWI).
Der zur Zeit stark kritisierte Senator spielt damit auf die Gebührenerhöhung an, gegen die der Landeselternausschuss Kindertagesbetreuung (LEA) gerade Unterschriften für eine Volkspetition sammelt. Hamburger Eltern mit mittlerem und hohem Einkommen zahlen heute schon recht hohe Gebühren, haben aber gegenüber Familien in den Nachbarländern einen Vorteil: Es gibt bereits den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz - für all jene, die berufstätig sind. Und weil in Hamburg nicht Plätze, sondern Gutscheine vergeben werden, können Träger da Krippengruppen eröffnen, wo Eltern die Scheine einlösen.
Sollte sich also Roland Koch, der bereits Beifall aus der FDP erhielt, durchsetzen, bliebe der Hamburg mit seinem Rechtsanspruch bundesweit als einzige Trutzburg der Krippenbetreuung zurück.
Aber es bliebe auch das Problem, dass die Kinder nicht erwerbstätiger Eltern von diesem Angebot frühkindlicher Bildung ausgeschlossen sind. Dabei sei dies gerade für Kinder aus sozial schwachen Familien "entscheidende Voraussetzung, um Armut später aus eigener Kraft zu entkommen", wie CDU-Familienministerin Kristina Schröder kämpferisch erklärte: "Hier gibt es nichts zu sparen."
Dass der Hamburger Rechtsanspruch bildungsnahe Schichten bevorzugt, belegt auch eine in dieser Woche veröffentlichte Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) "Wie leben und arbeiten Hamburgs Eltern?". So sind drei von vier Akademikerinnen mit Kindern berufstätig, aber nur jede dritte Nicht-Akademikerin. Auch bei den Migrantenmüttern liegt die Erwerbsquote unter 40 Prozent.
Die von der Handelskammer in Auftrag gegebene Studie basiert auf Daten des Mikrozensus 2008, also dem Start des Krippenausbaus, und macht auch bei den gut qualifizierte Eltern noch Probleme aus. So waren knapp 30.000 Mütter und 8.000 Väter trotz "guter bis sehr guter Qualifikation" nicht erwerbstätig. Ein Teil der Frauen suchte auch keine Arbeit und gab als Grund unter anderem "Betreuungsnotwendigkeiten" an.
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