■ Krimineller geht's nimmer: Trenddelikte
Kidnapping ist eine Straftat mit hohem Unterhaltungswert. Für den Ausführenden im Erfolgsfalle äußerst lukrativ, droht der Leuteklau aus Erwerbsgründen zum Trenddelikt zu werden. Das Zehlendorfer Geiseldrama war das Exempel schlechthin: Die vier schwerbewaffneten Banditen taten so, als wollten sie sich an den lausigen paar Kröten im Tresor vergreifen, hatten es aber in Wirklichkeit auf die Kunden abgesehen, die sie letztlich erfolgreich gegen fünf Millionen verhökerten. Kurios dabei, wie sich die Polizei an der Nase herumführen ließ, Helikopter und Fluchtwagen bereitstellte, während die Täter sich schon längst durch die Kanalisation davongemacht hatten. Besonders peinlich, daß es gerade mal eineinhalb Jahre her ist, daß ein gewisser Dagobert gleichfalls die Kanalisation als Fluchtweg benutzte.
Möglicherweise ist es Behörden wie der Polizei immanent, daß ihnen mehr Eingaben als Eingebungen zuteil werden, was allerdings noch lange kein Grund ist, die „Befreiung der Geiseln“ durch ein Sondereinsatzkommando als Sieg zu feiern, wie es der Polizeipräsident Hagen Saberschinsky großspurig tat. Denn die Geiseln mußten gar nicht mehr befreit werden – lagen sie doch stundenlang völlig unbehelligt in einem Nebenzimmer der Filiale, während die Ganoven mit der Beute längst über alle Berge waren.
Wer dies als erfolgreichen Abschluß eines Kidnappings feiert, der sollte aufpassen, daß er nicht selbst mal Opfer einer derartigen Straftat wird. Für einen Polizeipräsidenten würde man aber wahrscheinlich nicht allzuviel kriegen: Fünf Mark und ein Fluchtfahrrad, oder ich lass' ihn wieder laufen. Peter Lerch
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