Kriminalität: LKA räumt mit Vorurteilen auf
Der Innenausschuss informiert sich im Zuge der Integrationsdebatte über "arabische Großfamilien". Im Fokus sind vor allem Straftaten.
Großfamilien arabischer Herkunft stehen zumeist im Focus der Medien, wenn von Rauschgifthandel die Rede. Einzelne Festnahmen, wie die eines vermeindlichen strafunmündigen Heroin-Dealers, der sich später als erwachsen entpuppte, dienen allzugern zur Stigmatisierungen ganzer Volksgruppen. Die seit Monaten laufende Integrationsdebatte haben die Abgeordneten des Innenausschusses am Montag zum Anlass genommen, sich vom Chef des Landeskriminalamts, Peter-Michael Haeber, aufklären zu lassen. Das Thema seines Vortrags: Straftaten von Angehörigen arabischer Großfamilien in Berlin.
Mit der ethnischen Gruppierung "Araber" seien Angehörige von Staaten der internationalen Organisation "Arabische Liga" gemeint, schob Haeberer voraus. Dazu gehören unter anderem Ägypten, Libanon, Sudan, Marokko und die Palästinensischen Autonomiegebiete. Rund 64.000 Menschen aus diesen Staaten seien in Berlin gemeldet. Ungefähr die Häfte habe einen deutschen Pass.
Laut Haeberer leben in Berlin bis zu 30 libanesisch-arabische Familien mit jeweils 50 bis 500 Mitgliedern. Sie seien während des Bürgerkriegs im Libanon in den 70er- und 80er-Jahren eingewandert. Die Gesamtzahl der Personen libanesisch-kurdischer sowie palästinensischer Herkunft werde auf rund 8.000 Menschen geschätzt.
"Eine sehr kleine Zahl von Einzelfamilien mit einer sehr hohen Prozentzahl einzelner Familienmitglieder" begehe Straftaten, sagte Haeberer kryptisch. Die Mehrzahl "aller Mitglieder dieser Familien" sei strafrechtlich aber unaufällig. Das Problem liege in der Sozialisation und nicht in der ethnischen Herkunft. Die Großfamilien seien patriarchalisch geführt und geprägt von einer traditionellen-religiösen Lebens- und Denkweise, erklärte er. Straffällige Familienmitglieder hätten zumeist kein geregeltes Einkommen, könnten sich aber teure Autos und namhafte Anwälte leisten.
Ingesamt liege die Zahl nichtdeutscher Verdächtiger im Vergleich zur Bevölkerungszahl 1,8 Mal höher als die deutscher Verdächtiger. Bei Menschen aus arabischen Staaten liege die Zahl 3,0 Mal höher, bei den Angehörigen einiger Großfamilien gebe es eine weitere leichte Steigerung. Noch mehr Verdächtige gebe es in Relation zur Größe der Gruppe bei bei lettischen und rumänischen Staatsangehörigen. Hier liege die Zahl doppelt so hoch wie bei den Angehörigen arabischer Staaten. Der Rauschgifthandel werde durch deutsche und türkische Staatsangehörige dominiert wird, räumte er mit einem Vorurteil auf.
Bei dem CDU-Abgeordneten Robbin Juhnke kam der Vortrag immerhin so: "Nicht jeder arabische Ausländer ist ein Drogenhändler, aber man kann von einer deutlich erhöhten Kriminalitätsbelastung sprechen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!