Kriminalität: "Ihr werdet alle sterben"
In einem turbulenten Prozess wird seit Wochen gegen zwei Brüder verhandelt, denen massive Drohungen und schwere Körperverletzungen vorgeworfen werden
Ein Wachmann wird in Zukunft vor der Tür des Gerichtssaales stehen, in dem gegen die zwei Brüder der Familie M. verhandelt wird. Das erklärte die Richterin gestern am vierten Verhandlungstag. Auch im Saal sitzen zwei Wachleute - der Angeklagte Sami M. sitzt in U-Haft. Wenn ihr noch einmal zu Ohren käme, drohte die Richterin, dass "Angehörige oder Freunde der Familie" versuchen, Zeugen einzuschüchtern, dann würden die aus dem Zuhörersaal verbannt.
Es ist kein gewöhnliches Verfahren, dass da seit Mitte Dezember vor dem Landgericht abläuft. Den beiden Brüdern wird vorgeworfen, mit einer größeren Gruppe die Betreiber der Gaststätte "Phoenicia" im Oktober 2007 regelrecht zusammengeschlagen zu haben. Sami M. werden zehn weitere Delikte vorgeworfen - Beleidigung, gefährliche Körperverletzung. Während seine Verteidiger die körperlichen Attacken bestreiten, räumten sie im Namen ihres Mandanten am Freitag verbale Angriffe ein: Erst hat er die Türsteher des Stubu beleidigt, und als diese die Polizei riefen, rief er einem Beamten zu: "Zieh deine Uniform aus, du Hurensohn, dann zeige ich dir, wer stärker ist."
Türsteher in der Neustadt soll er angebrüllt haben: "Hurensöhne. Wer will mich aufhalten? Das wird euer letzter Tag an der Tür." Eine Sachbearbeiterin des Stadtamtes beleidigte er als "Nazi, Schlampe, Hure". Im August 2010 geriet er an einen sportlichdurchtrainierten Sicherheitsmann des Stadtamtes, der ihn mit einem Faustschlag zu Boden streckte. Daraufhin soll er gedroht haben: "Wir kommen mit vielen wieder. Ihr werdet alle sterben."
Der inzwischen 30 Jahre alte Sami M. kam im Alter von vier Jahren 1983 aus dem Libanon nach Deutschland. Er hat 15 Geschwister, die gesamte Familie lebt von Sozialhilfe. Dass er nicht nur ein aggressives Großmaul ist ("Ich koche schnell."), sondern auch zur Tat schreitet, zeigt sein langes Strafregister. Mit 17 Jahren, so berichtete er selbst, endete seine Berufsschul-Ausbildung, weil er in den Knast musste.
An einem der früheren Verhandlungstage identifzierte ein Post-Fahrer, der aus Somalia stammt, Sami M. als den Fahrer eines BMW-Cabrios, von dem er im Viertel brutal geschlagen wurde. "Lügner" schimpfte Sami M. und forderte den Zeugen auf, "mit Hand auf Koran" zu schwören. Beide kennen sich aus der Moschee. Der Somalier berichtete nach einer Prozesspause, er verstehe Arabisch, was die Freunde der Familie M. offenbar nicht ahnten. Er habe einen reden hören, man werde den Dienstwagen des Postbeamten "plattmachen".
Vor Gericht präsentierten die Verteidiger einen Bruder des Angeklagten, der behauptete, er habe bei der Spritztour mit dem teuren BMW-Cabrio am Steuer gesessen, als es - eigentlich ohne Grund - zum Streit mit dem Postmann kam. Der Angeklagte Bruder sei gar nicht dabei gewesen. Auch für den Hauptanklagepunkt, den Überfall auf die Kneipe Phoenicia, gibt es Zeugen, die erklären, die Angeklagten seien erst später dazu gekommen. Andere erinnern sich nicht an ihre ersten belastenden Aussagen.
Die Kripo geht davon aus, dass Zeugen nicht nur eingeschüchtert, sondern auch "gekauft" werden. Das macht die Beweiserhebung in dem Prozess, der noch Wochen dauern wird, schwierig.
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