Kriegsverbrecherprozess in Stuttgart: Rosenkranz erinnert an den Völkermord
Einer der Angeklagten im Kongo-Kriegsverbrecherprozess erscheint mit einem Rosenkranz vor Gericht. Beobachter fühlen sich an den Völkermord in Ruanda erinnert.
STUTTGART taz | Wenn der Angeklagte Ignace Murwanashyaka im Oberlandesgericht Stuttgart den Saal betritt, trägt er ein lila Hemd, Handschellen und einen Rosenkranz um den Hals. Beim Hinsetzen schließt der Präsident der im Kongo wütenden ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) kurz die Augen zum Gebet.
Für Prozessbeobachter aus der Region ist dies ein politisches Bekenntnis. Aloys Tegera, Direktor des Rechercheinstituts "Pole Institute" im ostkongolesischen Goma, wo zahlreiche Opfer von FDLR-Verbrechen Zuflucht finden, ist entsetzt, als er zum Prozessauftakt am 4. Mai in Deutschland zu Besuch ist und die Bilder von Murwanashyaka bei der Prozesseröffnung im Fernsehen sieht: Der kongolesische Tutsi fühlt sich in die Zeit des Völkermords in Ruanda 1994 zurückversetzt, als Hutu-Milizen über 800.000 Menschen, zumeist Tutsi, innerhalb von drei Monaten bestialisch ermordeten.
"Genau das habe ich auch 1994 gesehen, als die Interahamwe-Milizen Menschen massakrierten", erinnert er sich. "Sie gingen zum Priester und baten ihn, für sie zu beten, und trugen den Rosenkranz, auf dass ihr Werk gelinge." Dass Murwanashyaka das selbst vor Gericht trägt, ist für Tegera, ehemals selbst katholischer Priester, ein Alarmsignal. "Ich frage mich: Ist dies ein Markenzeichen?" sagte er am 5. Mai auf einer Pressekonferenz in Bonn.
Die FDLR ging im Kongo aus bewaffneten ruandischen Hutu-Kämpfern hervor, die 1994 am Völkermord teilnahmen und dann in den Kongo flohen, als die Tutsi-Guerilla RPF (Ruandische Patriotische Front) unter Ruandas heutigem Präsidenten Paul Kagame das Land eroberte und den Völkermord beendete. Bis heute gilt die FDLR als Sammelbecken flüchtiger Völkermordtäter, von denen sich etliche in den Reihen ihrer Führung tummeln.
Lange Zeit leugneten die Täter, dass es überhaupt einen Völkermord in Ruanda gegeben habe. Murwanashyaka galt noch Mitte des vergangenen Jahrzehnts eher als Vertreter eines moderaten Flügels, der die Völkermordleugnung als politische Positionierung aufzugeben bereit war, um sich als glaubwürdige politische Kraft darzustellen. Heute, vor Gericht in Stuttgart, scheint diese Maske zu fallen. So spricht Murwanashyakas Verteidigerin Ricarda Lang in einer ihrer Ausführungen am 9. Mai vom "Völkermord – das wird so bezeichnet – von 1994. Wir benutzen diesen Begriff eigentlich nicht."
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