Kriegsverbrechen im Kosovo: Ein Sondergericht soll‘s richten
Das Tribunal soll Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg ahnden. Dafür beschloss das kosovarische Parlament eine Verfassungsänderung.
Das Sondergericht soll Kriegsverbrechen ahnden, die von der Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) und anderen Konfliktparteien während des Kosovokriegs 1998/99 begangen wurden. Der Sonderberichterstatter des Europarats, Dick Marty, hatte in einem 2011 von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats angenommenen Bericht der UCK vorgeworfen, während des Kriegs standrechtliche Erschießungen und Entführungen begangen sowie Gefangenen Organe entnommen und verkauft zu haben.
In dem Bericht wurde auch der Name des ehemaligen UCK-Kommandeurs Hashim Thaci, genannt, der von 2008 bis 2014 erster Regierungschef der Republik Kosovo war. Diese wird zu mehr als 95 Prozent von ethnischen Albanern bevölkert.
Während sich der Ministerpräsident Isa Mustafa am Montag unmittelbar vor der Abstimmung für das Sondertribunal aussprach, boykottierte die Opposition die Wahl. Mustafa rief nach dem Votum eine Kabinettssitzung für den späten Abend ein, bei der ein Gesetzentwurf für das Sondertribunal ausgearbeitet werden sollte. Es gilt als sicher, dass das Parlament den Gesetzentwurf verabschiedet. Dies wiederum ist Voraussetzung dafür, dass Anklage gegen bereits Beschuldigte erhoben werden kann.
Heikle Verfahren im Ausland
Das unter der Schirmherrschaft der EU stehende Sondergericht dürfte Anfang 2016 erstmals zusammentreten. Es soll Teil des Justizsystems des Kosovo sein, besonders heikle Verfahren werden jedoch voraussichtlich im Ausland stattfinden, wobei ein EU-Staat als wahrscheinlichster Standort gilt.
Dem Marty-Bericht zufolge misshandelte, folterte und tötete die UCK rund 500 Gefangene, mehrheitlich Serben und Roma. Besonders der Vorwurf des Organhandels war kontrovers. Im Kosovo gelten die UCK-Kämpfer vielen weiterhin als Helden.
Der Konflikt zwischen der UCK und der serbischen Armee war im Juni 1999 nach dem Nato-Luftkrieg und dem Rückzug der Serben aus dem Kosovo zu Ende gegangen. In dem Konflikt, der im Jahr 1998 begonnen hatte, kamen mindestens 13.000 Menschen ums Leben,
2008 erklärte sich das Kosovo, das zunächst unter UN-Verwaltung gestanden hatte, einseitig für unabhängig von Serbien. Die serbische Regierung und die Kosovo-Serben erkennen die Unabhängigkeit des Kosovos nicht an. Doch eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Pristina und Belgrad ist die Voraussetzung für den von Serbien gewünschten Beitritt zur Europäischen Union. Auch die Kosovo-Regierung strebt die Aufnahme in die EU an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung