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Kriegsverbrechen im KongoScharfe Kritik auf Samtpfötchen

Die UN-Menschenrechtskommission veröffentlicht eine umstrittene Untersuchung von Kriegsverbrechen im Kongo - die angeprangerten Staaten beziehen darin Stellung.

Sollen laut UN-Bericht Kriegsverbrechen begangen haben: Ruandische Soldaten im Kongo. Bild: dpa

Der Hauskarikaturist der wichtigsten ostafrikanischen Wochenzeitung The East African bringt es auf den Punkt: Im ersten Bild seines dieswöchigen Cartoons schnarcht ein UN-Blauhelmsoldat im Jahr 1994, während hinter ihm Ruanda brennt und Menschen massakriert werden. Im zweiten Bild steht im Jahr 2010 ein verblüffter Präsident eines wiederaufgebauten Ruanda vor demselben UN-Soldaten, der einen UN-Bericht in der Hand hält und herumbrüllt und auf ein Schild mit der Aufschrift "Ostkongo" zeigt.

Das gibt ziemlich exakt das Unverständnis wieder, auf das in Ostafrika der am Freitag veröffentlichte Bericht der UN-Menschenrechtskommission zu Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen Republik Kongo zwischen 1993 und 2003 gestoßen ist. Der Vorwurf, Ruandas Armee habe 1996-97 bei der Verfolgung ruandischer Völkermordtäter im Kongo eventuell "Völkermord" an Hutu-Flüchtlingen verübt, sofern die genannten Massaker einwandfrei erwiesen seien, hat die Gemüter besonders in Ruanda erhitzt.

Ende August war internationalen Medien, darunter der taz, die unveröffentlichte Vorabversion des UN-Berichts zugespielt worden (taz vom 28.8.2010). In den meisten Medienberichten wurden damals die Vorwürfe gegen Ruanda hervorgehoben, obwohl die UN-Untersuchung viel breiter angelegt war. In Reaktion drohte Ruanda mit dem Rückzug seiner Soldaten aus UN-Missionen, womit vor allem die UN-Blauhelmtruppe in Darfur in Schwierigkeiten geraten wäre.

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon musste persönlich nach Ruanda reisen, um die Wogen zu glätten. Alle im Bericht angeprangerten Staaten - Ruanda, Uganda, Burundi, Angola und nicht zuletzt die Demokratische Republik Kongo selbst - erhielten Gelegenheit zur ausführlichen Stellungnahme. Angolas Regierung äußerte "Empörung und Überraschung". Burundis Regierung, die von einstigen Hutu-Rebellen geführt wird, sagte, sämtliche Anschuldigungen seien "Lügen".

Ugandas Regierung nannte den Bericht ein "Kompendium von Gerüchten". Ruandas Regierung sagte, der Bericht ignoriere den ruandischen Genozid und daher auch den Umstand, dass Ruanda die militarisierten Hutu-Flüchtlingslager zur "Selbstverteidigung" angegriffen habe. Kongos Regierung begrüßte den Bericht im Prinzip, erklärte aber, er nenne keine Beweise, verschweige seine Quellen und sei unpräzise.

Die jetzt veröffentlichte Endfassung des Berichts nimmt nichts zurück, gibt jedoch entlastenden Argumenten breiteren Raum und betont, nur eine "komplette gerichtliche Untersuchung" könne die aufgeworfenen Probleme klären. Damit stellt sich die Frage, ob es jemals ein Kriegsverbrechertribunal für den Kongo geben könnte.

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1 Kommentar

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  • L
    Lars

    Sehr geehrter Herr Johnson,

     

    Erst einmal ist es ja komisch, dass Sie anscheined Bescheid wissen, was ganz Ostafrika von dem Bericht haelt. Viel wichtiger ist aber die von Ihnen weiterhin vorangetriebene Ansicht (auch in ihrem Buch findet sich diese Argumentation, S. 79), dass es ja eigentlich keine grossen Massaker im Kongo (damals Zaire) 1996-97 von Seiten der ruandischen Armee an den Hutu Fluechtlingen gegeben haette. Unwissenden koennen Sie natuerlich glauben machen, dass die UN sich erst jetzt darum kuemmert und auf einmal diese Vorwuerfe gegen Ruanda's Regime erhebt, dass sich ja anscheinend nichts vorzuwerfen lassen hat. Allerdings muessten Sie aufgrund Ihrer Fachkenntnis doch wissen, dass schon 1996 und 1997 dutzende von Augenzeugenberichten die grossen Massaker in den Fluechtlingscamps bestaetigten (z. B. Howard W. French als Journalist fuer die New York Times, oder Emma Bonino, die das Fluechtlingscamp in Tingi-Tingi in 1997 in ihrer Funktion als European Commissioner der European Community Humanitarian Office besuchte). Auch die UN hat damals schon von genozidaeren oder genozid-aehnlichen Massakern gesprochen.

     

    In einigen in der letzten Zeit erschienenen akademischen Studien von Experten der postkolonialen Geschichte Ruanda's, Burundi's und des Kongo's, die die Ereignisse der Kongokriege analysieren [Filip Reyntjens (2010), Rene Lemarchand (2009), Gerard Prunier (2009) und Thomas Turner (2007)] werden diese Ereignisse ganz klar benannt und alle vorhanden Quellen dazu ausgewertet. Filip Reyntjen's zuletzt erschienenes Buch listet im Anhang auf 4 (sic!) Seiten alle dazu vorhandenen Quellen von internationalen sowie lokalen NGO's, der UN, unterschiedlichen Buechern, verschiedene Zeugenaussagen und Arbeiten investigativer Journalisten auf, die alle diese Massaker an den Fluechtlingen belegen und/oder schon damals 1996-97 belegten. Sind all diese Quellen nicht Beweis genug?

     

    Natuerlich befanden sich unter diesen Fluechtlingen viele Taeter des Ruandischen Genozids wie sie auch in ihrem Artikel erwaehnen. Doch die von der Ruandischen Armee in Allianz mit den kongolesischen Rebellen der AFDL veruebte Kollektivstrafe fuer alle diese Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehoerigkeit (Hutu) sollte doch verurteilt werden! Dies zu tun bedeutet doch nicht das Gedenken an die toten Tutsi des Genozids in Ruanda in 1994 zu mindern oder zu stoeren. Die Anerkennung dieser Verbrechen von Seiten der ruandischen Armee 1996/97 gebietet sich doch eher aus rein humanistischer Perspektive.

     

     

    Mfg,

    L.