Kriegsverbrechen auf dem Balkan: Journalistin vor dem UN-Tribunal
Florence Hartmann war Anklage-Sprecherin beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Jetzt steht sie selbst vor Gericht. Sie soll vertrauliche Informationen verbreitet haben.
DEN HAAG dpa | Das UN-Kriegsverbrechertribunal macht seit Montag seiner eigenen ehemaligen Anklage-Sprecherin den Prozess. Der 46-jährigen französischen Journalistin Florence Hartmann drohen bis zu sieben Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe von 100.000 Euro. Ihr wird Missachtung des mit der Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien betrauten UN-Tribunals vorgeworfen. Hartmann war die Sprecherin der damaligen Chefanklägerin des Jugoslawien-Tribunals, Carla del Ponte.
Die Angeklagte soll in einem 2007 veröffentlichten Buch entgegen ausdrücklichen Aufforderungen über vertrauliche Informationen des Gerichtshofs berichtet haben. Hartmanns Anwalt Guénaël Mettraux wies die Anschuldigungen zurück. Seine Mandantin habe lediglich Fakten verwendet, die ohnehin öffentlich verfügbar waren.
Befürworter des Prozesses gegen Hartmann verwiesen darauf, dass das UN-Tribunal in der Lage sein müsse, Geheimhaltungszusagen auch zu erfüllen. Durch die Veröffentlichung habe Hartmann gegen Auflagen des Tribunals verstoßen, erklärte der aus Kanada stammende Staatsanwalt Bruce MacFarlane.
Hartmann hatte in dem Buch "Peace and Punishment: The Secret Wars of Politics and International Justice", das sie nach Beendigung ihres Jobs bei dem Haager UN-Tribunal veröffentlichte, unter anderem eine Verstrickung des serbischen Staates in das 1995 verübte Massaker an mehr als 8.000 Muslimen in der bosnischen Stadt Srebrenica nahegelegt. Zudem hatte sie behauptet, einige gesuchte bosnische Kriegsverbrecher hätten sich mit Wissen der Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs lange Zeit frei in Bosnien bewegt.
Unterstützer Hartmanns, unter ihnen viele Journalisten, forderten in einer Petition die Einstellung des Verfahrens. "Florence Hartmann hat lediglich ihren Job gemacht, indem sie rückhaltlos nach der Wahrheit gesucht und diese veröffentlicht hat", erklärten sie.
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