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Archiv-Artikel

Soziologin und Globalisierungsforscherin Maria Mies liest in der Neuen Gesellschaft Krieg nach innen

Der Feststellung, dass gegenwärtig Kriege in der Welt geführt werden, wird niemand ernsthaft widersprechen. Auch die Tatsache, dass Bundeswehrsoldaten in Kriegsgebieten eingesetzt sind, ist unbestreitbar. Die These, dass aktuell in der Bundesrepublik Krieg geführt wird, ist dagegen mindestens so erklärungsbedürftig, wie sie spontan Irritation auslöst.

Doch genau das behauptet Maria Mies, emeritierte Professorin für Soziologie der Fachhochschule Köln, in ihrem jüngst erschienenen Buch „Krieg ohne Grenzen“, das sie jetzt in der Neuen Gesellschaft vorstellen wird. Und sie trägt gewichtige Gründe für die Richtigkeit der Annahme vor, dass wir uns in der Bundesrepublik zumindest im Krieg nach innen befinden. Gemeint ist jener Meinungskampf, der beispielsweise die Kriege in Afghanistan, dem Irak und Jugoslawien als notwendiges Mittel zur Befriedung und Demokratisierung der betroffenen Länder legitimieren möchte.

Für Maria Mies sind dies Manipulationen der Öffentlichkeit, die kriegerische Auseinandersetzungen mehrheitlich ablehne. Denn im Gegensatz zum vorherrschenden Selbstbild auch von JournalistInnen leben wir nicht in einem Informations-, sondern in einem Medienzeitalter. Folgerichtig ist der Zugang zu Informationen über die tatsächlichen Ziele etwa der genannten kriegerischen Auseinandersetzung in Afghanistan oder dem Irak durch die Medien meist verstellt. Insofern versteht sich das Buch von Maria Mies als Versuch, genau diese Informationsdefizite des Meinungskrieges nach innen über die äußeren Kriege zu beheben. Zugleich ist dieser Krieg nach innen aber ein Politikkonzept, das durch den Abbau sozialstaatlicher Leistungen und zunehmende Deregulierung gekennzeichnet ist.

Mies entwickelt in einer dreischrittigen Analyse die Zusammenhänge und Ideologien eines globalisierten Kriegssystems als Ursache der „äußeren“ und „inneren“ Kriege. Demzufolge stehen die heutigen globalisierten Konflikte in der geschichtlichen Kontinuität kolonialer kapitalistischer Wirtschaftskriege um Ressourcen und Kontrolle von Märkten. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks ist die Auseinandersetzung um die Verfügungsgewalt über Rohstoffe und Absatzmärkte in eine neue Phase getreten. Durch Globalisierungskriege werden Länder gezwungen, sich den Regeln des neoliberalen Weltmarkts unterzuordnen. Mies weist nach, dass dies unblutig durch so genannte „Strukturanpassungsprogramme“ des IWF erfolgen kann. Die Folgen dieser Strukturanpassung sind die ökonomische und vor allem politische Destabilisierung, die schließlich den Vorwand für eine militärische Intervention zur Wiederherstellung der politischen Ordnung liefern – einer Ordnung, die in der Regel im Sinne neoliberaler Verwertung funktionieren soll.

Am Beispiel der politischen (und damit auch ökonomischen) Auseinandersetzungen um Jugoslawien, Afghanistan und den Irak zeigt Mies die Szenarien der gegenwärtigen Globalisierungskriege auf. In einem weiteren Abschnitt erläutert die Autorin schließlich geopolitische Ursachen, wirtschaftsstrategische Motive sowie gesellschaftliche und soziale Folgen dieser Auseinandersetzungen. Abschließend resümiert Mies: „Der Abfall vom Glauben an die Alternativlosigkeit des herrschenden Kriegssystems ist der Beginn einer neuen Perspektive. Diese entsteht nicht in Studierstuben, sondern auf der Straße und in den verschiedenen neuen sozialen Bewegungen lokal, weltweit und im internationalen Austausch.“ Daher kann diese Buchpräsentation mit einer durchaus praktischer Nutzanwendung verbunden sein.

Andreas Blechschmidt

Maria Mies: Krieg ohne Grenzen. Köln 2004, 200 S., 14,80 Euro Lesung: Mo, 25.10., 20 Uhr, Neue Gesellschaft, Rothenbaumchaussee 19