Krieg in Syrien: Offensive auf letztes Rebellengebiet
Nach schweren Luftangriffen rücken Bodentruppen auf das syrische Rebellengebiet Idlib vor. Kliniken wurden gezielt bombardiert.
Die Bodenoffensive folgt auf wochenlange Angriffe der syrischen und russischen Luftwaffen. Dabei fielen in den vergangenen neun Tagen Bomben auf zwölf Krankenhäuser, die bei der UN-Nothilfeagentur als solche registriert sind und deren Koordinaten damit den syrischen und russischen Regierungen bekannt sind, erklärte die in Kanada ansässige Hilfsorganisation syrischer Ärzte im Exil UOSSM.
UN-Quellen sprachen vom Einsatz geächteter Fassbomben. „Die Angriffe mit Fassbomben sind die schlimmsten, die wir seit 15 Monaten gesehen haben“, erklärte der humanitäre UN-Koordinator Panos Moumtzis. Ein Video aus einem Vertriebenenlager im Süden Idlib zeigt, wie „Weißhelme“ versuchen, schwerverletzte Zivilisten zu versorgen, während um sie herum verkohlte Leichen geborgen werden.
Das Gebiet um Idlib im Nordwesten Syriens ist das letzte größere Rebellengebiet des Landes. Eigentlich gilt hier ein Waffenstillstand, den Russland und die Türkei als Schutzmächte beider Seiten garantieren. Er ist brüchig geworden, seit im Januar die Al-Qaida-nahe Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) gemäßigte Rebellen aus zahlreichen Orten verdrängte.
Drei Millionen Menschen
Die Angriffe gelten unterschiedslos Orten aller Fraktionen. Außerdem wurden bei der Einnahme anderer Rebellengebiete Syriens immer wieder Zivilbevölkerungen in das Gebiet Idlib evakuiert – dort leben jetzt drei Millionen Menschen, ein Drittel der noch in Syrien befindlichen Bevölkerung, viele davon schutzlos in Flüchtlingslagern.
Die Offensive kommt zu einer Zeit, in der sich die Regierung Assad zunehmenden Protesten im eigenen Lager erwehren muss, da Benzinlieferungen aus dem Iran ausbleiben und das Überleben im Regierungsgebiet immer schwieriger wird.
Panos Moumtzis, UN
Im Rebellengebiet mussten aufgrund der Angriffe sämtliche humanitären Aktivitäten eingestellt werden. Schulen, Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen können nicht mehr sicher arbeiten. „Ein Großeinmarsch bedroht das Leben von rund drei Millionen Zivilisten, mindestens die Hälfte davon Kinder“, warnt das in Großbritannien ansässige islamische Hilfswerk Umma Welfare Trust.
Die Vereinten Nationen warnen vor einer erneuten Massenflucht Richtung Türkei: Seit Februar seien im Nordwesten Syriens bereits knapp 140.000 Menschen in die Flucht getrieben worden, hieß es, und Tausende mehr seien jetzt unterwegs. Unklar ist, wie sich die Türkei verhalten wird, falls ihre „Beobachtungsposten“ im Rebellengebiet zur Überwachung der Waffenruhe in das Kampfgeschehen hineingezogen werden.
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