piwik no script img

Krieg in SyrienOffensive auf letztes Rebellengebiet

Nach schweren Luftangriffen rücken Bodentruppen auf das syrische Rebellengebiet Idlib vor. Kliniken wurden gezielt bombardiert.

Rauch nach Luftangriffen: Süd-Idlib Foto: Syrian Civil Defense White Helmets/ ap

BERLIN taz | In Syrien hat die Regierungsarmee eine Bodenoffensive gegen das letzte verbleibende Rebellengebiet in der Provinz Idlib und dem angrenzenden Norden der Provinz Hama begonnen. Regierungsnahe Medien meldeten die Einnahme mehrerer Ortschaften bei der Offensive, die je nach Quelle gegen „Terroristen“ oder „Krebsgeschwüre“ geführt werde.

Die Bodenoffensive folgt auf wochenlange Angriffe der syrischen und russischen Luftwaffen. Dabei fielen in den vergangenen neun Tagen Bomben auf zwölf Krankenhäuser, die bei der UN-Nothilfeagentur als solche registriert sind und deren Koordinaten damit den syrischen und russischen Regierungen bekannt sind, erklärte die in Kanada ansässige Hilfsorganisation syrischer Ärzte im Exil UOSSM.

UN-Quellen sprachen vom Einsatz geächteter Fassbomben. „Die Angriffe mit Fassbomben sind die schlimmsten, die wir seit 15 Monaten gesehen haben“, erklärte der humanitäre UN-Koordinator Panos Moumtzis. Ein Video aus einem Vertriebenenlager im Süden Idlib zeigt, wie „Weißhelme“ versuchen, schwerverletzte Zivilisten zu versorgen, während um sie herum verkohlte Leichen geborgen werden.

Das Gebiet um Idlib im Nordwesten Syriens ist das letzte größere Rebellengebiet des Landes. Eigentlich gilt hier ein Waffenstillstand, den Russland und die Türkei als Schutzmächte beider Seiten garantieren. Er ist brüchig geworden, seit im Januar die Al-Qaida-nahe Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) gemäßigte Rebellen aus zahlreichen Orten verdrängte.

Drei Millionen Menschen

Die Angriffe gelten unterschiedslos Orten aller Fraktionen. Außerdem wurden bei der Einnahme anderer Rebellengebiete Syriens immer wieder Zivilbevölkerungen in das Gebiet Idlib evakuiert – dort leben jetzt drei Millionen Menschen, ein Drittel der noch in Syrien befindlichen Bevölkerung, viele davon schutzlos in Flüchtlingslagern.

Die Offensive kommt zu einer Zeit, in der sich die Regierung Assad zunehmenden Protesten im eigenen Lager erwehren muss, da Benzinlieferungen aus dem Iran ausbleiben und das Überleben im Regierungsgebiet immer schwieriger wird.

Die Angriffe mit Fassbomben sind die schlimmsten, die wir seit 15 Monaten gesehen haben

Panos Moumtzis, UN

Im Rebellengebiet mussten aufgrund der Angriffe sämtliche humanitären Aktivitäten eingestellt werden. Schulen, Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen können nicht mehr sicher arbeiten. „Ein Großeinmarsch bedroht das Leben von rund drei Millionen Zivilisten, mindestens die Hälfte davon Kinder“, warnt das in Großbritannien ansässige islamische Hilfswerk Umma Welfare Trust.

Die Vereinten Nationen warnen vor einer erneuten Massenflucht Richtung Türkei: Seit Februar seien im Nordwesten Syriens bereits knapp 140.000 Menschen in die Flucht getrieben worden, hieß es, und Tausende mehr seien jetzt unterwegs. Unklar ist, wie sich die Türkei verhalten wird, falls ihre „Beobachtungsposten“ im Rebellengebiet zur Überwachung der Waffenruhe in das Kampfgeschehen hineingezogen werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Ergänzend : Weißhelme töten Zivilisten - Viele Kinder bei Luftangriffen auf Idlib getötet - Kein Einsatz von `Fassbomben`nachweisbar sondern double-tap attacks (means) second bomb followed after a bomb hits the same location before : www.aljazeera.com/...0507123020922.html

  • Eine Möglichkeit der Deeskalation & Friedenssicherung wäre eine durch die UN zu beschließende Stationierung von ( einer Überzahl bestens ausgerüsteter ) Internationalen Truppen ( EU , Russland , China , USA , Kanada , Afrika , Iran , Saudiarabien , Syrien , etc.pp. ) - durch ein Komitee aller Beteiligten Nationen , und keinesfalls nur durch einige Wenige , Oberbefehligtes - Heer in Syrien , sowie konsequente Strafverfolgung durch diese & den Internationalen Gerichtshof von Personen & Interessengruppen welche gegen Völker- & Menschenrecht verstoßen . Dann würde - ob mit Assad oder ohne - über Kurz oder Lang endlich wieder Ruhe & Menschenwürdige Verhältnisse in Syrien , sowie Sichere Internationale Politische- & Handels -Beziehungen , einkehren .