Krieg in Libyen: Soldaten schießen von Moscheen
Soldaten von Gaddafis Armee sollen sich als Zivilisten verkleidet nahe Krankenhäusern und auf Moscheen positionieren. Großbritannien will Militärberater für die Rebellen schicken.
NEW YORK/TRIPOLIS dpa/dapd | Die Nato hat schwere Vorwürfe gegen die Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi erhoben. Die Soldaten würden sich als Zivilisten verkleidet in der Nähe von Krankenhäusern verstecken, von Moscheedächern schießen und Frauen und Kinder als Schutzschilde missbrauchen, sagte der Kommandeur des Libyen-Einsatzes, General Charles Bouchard, dem kanadischen Fernsehsender CBC.
Nach Angaben der Rebellen sind beim Aufstand gegen das Gaddafi-Regime bisher 10.000 Menschen getötet worden. Unterdessen hoffen UN-Hilfsorganisationen nach entsprechenden Zusicherungen aus Tripolis auf Zugang zu der seit Wochen belagerten Rebellenhochburg Misurata.
Die Gaddafi-Truppen würden ihre schweren Waffen in den von ihnen gehaltenen Bezirken Misuratas in der Nähe von Krankenhäusern, Schulen und Moscheen aufstellen, berichtete der kanadische General Bouchard in dem Interview am Montag (Ortszeit) weiter. Den Nato-Kampfpiloten, die nach einem UN-Sicherheitsratsbeschluss vom März die libysche Zivilbevölkerung schützen sollen, seien die Hände gebunden.
Großbritannien schickt Militärberater
Großbritanniens Außenminister William Hague hat die Entsendung britischer Militärberater nach Libyen zur Unterstützung der Rebellen angekündigt. Hague kündigte am Dienstag an, erfahrene Offiziere der britischen Streitkräfte sollten britische Diplomaten verstärken, die in der Stadt Bengasi bereits mit den Rebellen kooperierten.
Vor allem sollte die Rebellen bei der militärischen Organisation unterstütz und deren Logistik und Kommunikation verbessert werden. Der Außenminister hob hervor, dass den Rebellen keine Waffen geliefert würden oder Unterstützung bei militärischen Operationen gegeben werde.
Hilfe nun auch über Land möglich
Nach Zusagen des Regimes in Tripolis sollen UN-Organisationen nun Zugang nach Misurata bekommen, um die humanitäre Lage einzuschätzen und Hilfslieferungen auf den Weg zu bringen. Bislang kann die eingeschlossene Stadt nur über See erreicht werden. Die Chefin des UN-Nothilfebüros OCHA, Valerie Amos, und der UN-Sonderbeauftragter Abdul Ilah Chatib hatten am Wochenende von libyschen Vertretern einen Landkorridor zugesichert bekommen, verlautete am Montag (Ortszeit) am UN-Sitz in New York.
Nach Angaben des Welternährungsprogramms (WFP) kann nun auch über Land von Tunesien aus Hilfe für die unter dem Bürgerkrieg leidenden Menschen im Westen Libyens geleistet werden. Auf ein entsprechendes Abkommen zur Zusammenarbeit habe man sich mit dem libyschen Roten Halbmond geeinigt, teilte das WFP in Genf mit. Die libysche Regierung habe "durchblicken lassen", dass sie keine Einwände habe.
Ein erster Konvoi aus acht Lastwagen mit 200 Tonnen Weizen und mehr als neun Tonnen energiereicher Kekse habe am Montag die tunesische Grenze in Richtung Westlibyen überquert. Die Nahrungsmittel sollen in Tripolis und anderen Städten verteilt werden, das umkämpfte Misurata ist allerdings nicht darunter. Mit der Lieferung könnten fast 50.000 Menschen einen Monat lang ernährt werden.
Nach libyschen Oppositionsangaben vom Dienstag wurden in den letzten zwei Tagen bei den Angriffen auf Misurata Dutzende Menschen getötet. Im Hafen der Stadt sitzen immer noch mehr als 3.000 afrikanische Gastarbeiter fest, die darauf warten, mit Schiffen internationaler Hilfsorganisationen in Sicherheit gebracht zu werden.
Westerwelle verspricht Hilfe für Misurata
Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP), der sich am Dienstag zu einem Besuch in Kairo aufhielt, versprach Hilfe für die drittgrößte libysche Stadt. "Die Bilder aus Misurata sind bestürzend", sagte Westerwelle. "Wir werden die Menschen, die dort leiden, nicht alleine lassen." Deutschland wolle "seinen Beitrag dazu leisten, dass Hilfsgüter nach Misurata kommen, aber auch dass Menschen aus Misurata evakuiert werden können". Details der deutschen Hilfe nannte Westerwelle aber nicht.
Die Bundesregierung stellt zusätzliche Finanzmittel für die Menschen in der umkämpften libyschen Stadt Misrata bereit. Deutschland werde seine humanitäre Hilfe für Libyen insgesamt um zwei Millionen Euro auf sieben Millionen Euro aufstocken, teilte das Auswärtige Amt am Dienstag in Berlin mit. Von den zusätzlichen Mitteln solle eine Million Euro an die Internationale Organisation für Migration (IOM) gehen. Damit könnten in den kommenden Tagen insgesamt 2000 Menschen durch die Hilfe der Bundesregierung aus Misrata evakuiert und nach Bengasi gebracht werden. Gleichzeitig würden rund 900 Tonnen Hilfsgüter nach Misrata geliefert.
Eine weitere Million Euro gehe je zur Hälfte an das UN-Ernährungsprogramm (WFP) und an das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR). Davon würden Notmaßnahmen zur Versorgung der Bevölkerung in Misrata sowie die Versorgung von libyschen Flüchtlingen an der ägyptisch-tunesischen Grenze finanziert, erklärte das Auswärtige Amt weiter.
Seit Beginn des Aufstandes gegen das Gaddafi-Regime wurden nach Angaben der Rebellen bereits zehntausende Menschen getötet oder verletzt. "Präsident Dschalil hat uns von 10.000 Toten berichtet und bis zu 55.000 Verletzten", sagte der italienische Außenminister Franco Frattini nach einem Treffen mit dem Vorsitzenden des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, am Dienstag in Rom.
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