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Krieg in LibyenSchwere Nato-Angriffe auf Tripolis

Libyens Hauptstadt erlebt die heftigsten Luftattacken seit langem. Den Rücktritt Gaddafis schließt das libysche Regime weiter aus, während die USA den verstärkten Einsatz von Drohnen erwägen.

Noch am Freitag wurde auf dem Grünen Platz in Tripolis ein gigantisches Porträt von Revolutionsführer Gaddafi ausgerollt. Bild: dpa

TRIPOLIS rtr | Im Kampf gegen die Gaddafi-Regierung hat die Nato den seit Wochen schwersten Luftangriff auf die libysche Hauptstadt geflogen. Augenzeugen zufolge gab es dabei in Tripolis am Samstag mindestens sechs Explosionen. Laut dem libyschen Staatsfernsehen kam es zu Opfern unter der Bevölkerung. Der Sender nannte keine Einzelheiten.

Die Nato erklärte, eine Kommandozentrale sei getroffen worden. Nur Stunden vor den Luftangriffen hatte Gaddafis Regierung bekräftigt, der Machthaber werde Forderungen nach einem Rücktritt nicht nachgeben. Zugleich forderte Gaddafis Sprecher die USA auf, die am vergangenen Wochenende geführten Gespräche fortzusetzen.

Vier Detonationen erschütterten auch ein Hotel, in dem internationale Medien untergekommen sind. Zwei weitere Einschläge waren unweit davon zu hören. Die westliche Militärallianz unterstützt die libyschen Rebellen mit Luftangriffen in ihrem Bemühen, Gaddafi von der Macht zu vertreiben.

Die Kämpfe halten seit Monaten an, ohne dass die Aufständischen entscheidende Fortschritte gemacht haben. Angesichts der verfahrenen Situation setzt der Westen verstärkt auf eine Verhandlungslösung. Die USA verlangen dabei einen Rücktritt Gaddafis.

UN-Gesandter auf Vermittlungsmission

Dessen Regierungssprecher Mussa Ibrahim erteilte dieser Forderung abermals eine Absage. Gaddafi werde weder seinen Posten aufgeben, noch das Land verlassen. Neue Verhandlungen könnten aber dabei helfen, das libysche Problem zu lösen, sagte er weiter. "Wir sind bereit zu weiteren Gesprächen mit den Amerikanern." Auch mit den Rebellen würden Vertreter Gaddafis reden, aber nicht Gaddafi selbst und nur zu ihren Bedingungen. Die Rebellen machen ihrerseits einen Rücktritt Gaddafis zur Voraussetzung für Unterredungen. In ihrem Kampf für ein Ende von Gaddafis mehr als 40-jähriger Herrschaft haben sie etwa die Hälfte des Landes unter ihre Kontrolle gebracht.

Ein europäischer Diplomat sagte, ein UN-Gesandter werde versuchen, die beiden verfeindeten Lager zu einer Übereinkunft zu bringen. Vorgesehen sei dabei eine Waffenruhe und eine Vereinbarung zur Machtteilung in Libyens Führung, in der Gaddafi aber keine Rolle mehr spielen würde.

Wegen des Dauerpatts erwägen die USA nach Angaben aus Kreisen auch einen verstärkten Einsatz von Drohnen. Hintergrund sei eine entsprechende Anfrage der Nato nach weiteren unbemannten "Predator"-Kampfflugzeugen, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von einem US-Vertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte. Diskutiert werde zudem der Einsatz von weiteren Überwachungsflugzeugen sowie Waffenlieferungen an die Rebellen. Die Zeitung Los Angeles Times hatte zuerst von den Überlegungen berichtet.

Die USA nehmen gegenwärtig in Libyen eine überwiegend unterstützende Rolle ein, während andere Nato-Staaten wie Großbritannien und Frankreich auf der Grundlage eines UN-Mandats Ziele der Gaddafi-Regierung angreifen.

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12 Kommentare

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  • GS
    Gunnar Sturm

    Vergleicht mal die aktuellen Konflikte Libyen und Elfenbeinküste (ivoireleaks.de)...die Ähnlichkeit ist frappant. Der Unterschied: Gaddafi kann sich länger verteidigen. So langsam kippt die Stimmung trotz der organisierten Medienhoheit!

     

    Zudem, der unfaire Kolionalismus produziert Terror, ich sehe zunehmend mehr Afrikaner die sich radikalisieren. Wenn Afrikaner nach Libyen sehen, geht der Blick nach Europa.

  • M
    Marc

    Der Bombenholocaust in Libyen muss endlich aufhören! Die Imperialisten müssen aus dem Land verschwinden!!!

  • HL
    Henning Lilge

    Die UN Resolution spricht ein Waffenembargo fuer ganz Lybien vor - einschliesslich Regierungs- oder Rebellentruppen. Dieselben Sicherheitsmitglieder Frankreich und USA brechen ihre eigene Resolution in dem sie Waffen liefern und zivile Ziele bombardieren lassen. Es gibt keine Resolution zum militaerischen Eingreifen noch zur Bombardierung - weder militaerischer noch ziviler Ziele. Damit wird die UNO vorgefuehrt und internationales Rechtsverständnis ausgehebelt. Alleinig eine Flugverbotszone darf nach UN Beschlusslage gesichert werden. Das Zerstören von Panzern, der Beschuss von Regierungstruppen oder von "Kommandozentralen" ist komplett im Bereich der Illegalität. Hier wird letzlich gemacht was der scheinbar "gesunde Menschverstand" anmahnt - Argumentieren aus dem Bauch. Das ist Biertischlogik am TAZ-Diskutiertisch. Prost - die Redaktion ist offensichtlich schon länger Kriegsbetrunken.

     

    Mit freundlichen Gruessen

    Henning Lilge

  • SE
    SCHÄMT EUCH IHR KRIEGSTREIBER!!!

    Neueste von Wikileaks veröffentlichte Dokumente beweisen, dass der Libyen-Krieg ein Öl-Krieg ist um den Einfluß der russischen Gazprom vermittelt über die italienische Ölgesellschaft Eni zurückzudrängen und US-amerikanischen und französischen Ölkonzernen den Weg freizubomben:

    http://therealnews.com/t2/index.php?option=com_content&task=view&id=31&Itemid=74&jumival=6759

    Dass die humanitären Gründe des Krieges erstunken und erlogen sind und reine NATO-Propaganda sind, läßt sich aus den offiziellen UNO-Dokumenten einer UNO-Mission nach Libyen aus dem Monat April entnehmen, der aber von der NATO wie von dem NATO-hörigen Tribunal (IStGh in den Haag) und von der TAZ beharrlich ignoriert wird:

    http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/docs/17session/A.HRC.17.44_AUV.pdf

    Aber auch Berichte von Amnesty International interessieren Euch nicht: http://bigpeace.com/jrosenthal/2011/06/24/amnesty-international-official-no-evidence-of-mass-rape-in-libya/

    Dass zudem die sogenannten Rebellen sich vornehmlich aus CIA-Milizen, der libyschen Al-Kaida und vom Westen und Saudi-Arabien finanzierten Söldnern rekrutieren (http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=24096) und zudem einer französischen Studie zufolge antidemokratisch sind ( http://www.english.rfi.fr/node/95867 ) und die Monarchie und Scharia wieder einführen wollen ignoriert die TAZ-Redaktion. Die Bombardierung der größten Wasserpipline des Great Man Made River Project durch die NATO am 22 Juli, welche 70 % der libyschen Bevölkerung in einem Wüstenland mit Trinkwasser versorgt und die darauffolgende Bombardierung der Fabrik, welche die Ersatzteile für die Pipeline produziert (2 Tage später) ist ein unglaublicher krimineller Akt in Verletzung der Genfer Kriegsrechtskonvention welche den Schutz von Zivilisten vorschreibt - aber in dieser Zeitung keine einzige Notiz von diesem Verbrechen: http://english.pravda.ru/news/world/23-07-2011/118577-nato_war_crimes-0/

    ANGESICHTS DIESER HIMMELSCHREIENDEN NATO-VERBRECHEN UND DER GERADEZU PERVERSEN UND GROTESTKEN LÜGEN UND DER UNHINTERFRAGTEN DÄMONISIERUNG GADDAFIS (Gaddafi war noch im Januar für den UN-Menschenrechtspreis nominiert: http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/docs/16session/A-HRC-16-15.pdf )

    DURCH DIE NATO-PROPGAGANDA UND DIE WESTLICHEN MEDIEN MACHEN SICH DIE BETEILIGTEN - ALSO AUCH DIE TAZ - MITSCHULDIG AN DER ANSTIFTUNG ZUM BÜRGERKRIEG, ANGRIFFSKRIEG UND VERBRECHEN GEGEN DIE MENSCHLICHKEIT!!! IHR HABT UNS BELOGEN UND BELÜGT UNS WEITER UNTER DER FAHNE EINES NEUEN MENSCHENRECHTSIMPERIALISMUS DER IN WIRKLICHKEIT NUR EIN BRUTALER RECOURCENIMPERIALISMUS IST - UND DIES VON EHEMALIGEN UNTERSTÜTZERN DER FRIEDENSBEWEGUNG DER 80ER JAHRE - SCHÄMT EUCH!

  • L
    Lara

    @Schlachtvieh: Sie wissen mehr als sogar die UN und Den Haag oder sonst wer, mit Ausnahme der taz natürlich. Dass Gaddafi VOR Beginn des Krieges auf absolut unschuldige Zivilisten schießen ließ,auf Trauerfeiern gar, wurde bisher nicht bewiesen, sehr geehrter Herr.Macht sich als Angriffskriegsgrund aber genauso gut wie Frauenbefreiung, Massenvernichtungswaffen, Straßenbauen, Brunnenbohren, Massenvergewaltigungen. Das ist Propaganda.Die Wahrheit ist den westlichen Kriegsherren und den gefügigen Medien-egal. Falls sie, ganz im Sinne der westlichen Kriegspropaganda, die zivilen bewaffneten Banden, die von der Propaganda so genannten Rebellen, als unschuldige Zivilisten sehen,...

  • S
    Schlachtvieh

    Ich sehe das ein wenig anders als die vorhergehenden Kommentatoren. Man sollte nicht vergessen, dass Ghaddafi bereits im Verlauf friedlicher Proteste hat auf Demonstranten schießen lassen. Das ging bis zur Bombenangriffen auf Trauerzüge, von denen weitere Demonstrationsursprünge erwartet wurden.

     

    Eh sich das ganze zu Gewalt radikalisiert hat, hat das lybische Regime eine Menge Menschen verletzt, eingesperrt oder getötet. Ghaddafi hat nach übereinstimmenden Medienberichten sogar Söldner aus anderen afrikanischen Ländern angeworben und angeblich sogar Kopfgelder auf tote Rebellen ausgerufen. Die UN-Resolution sollte dieses Unrecht verhindern (und wurde eigentlich viel zu spät ausgesprochen, siehe Misurata).

     

    Noch bis vor kurzem haben Ghaddafis Truppen noch Menschen in Misurata abgeschlachtet, haben nach Augenzeugenberichten Krankenhäuser besetzt und die Behandlung von verwundeten verhindert. Dazu kommen Gewalttaten und Vergewaltigung gegen unbeteiligte, was gerade bei Söldnern ja nun kein neues Phänomen ist.

     

    Fassen wir zusammen, was die Nato bisher getan hat. Sie hat Ausbilder in den Osten Lybiens geschickt, die Rebellen im (Befreiungs-)Kampf ausbilden. Sie fliegen Luftangriffe, vornehmlich gegen Regierungs- oder Militäreinrichtungen oder Truppenstellungen. Ich sehe hier höchstens ein juristisches, Problem, allerdings dagegen auch eine moralische Pflicht. Erinnern wir uns an die Mauerschützen der DDR-Diktatur. Juristisch haben die in dem Rechtssystem, in dem sie lebten, richtig gehandelt. Dennoch, nach dem Mauerfall wurden sie bestraft, hauptsächlich wegen der Begründung, moralisch hätte man auf keine Zivilisten schießen dürfen. Ähnliches kann man (und wurde auch) auf die Verbrechen in der Zeit von 1933 bis 1945 anwenden.

     

    Das eigentlich verwerfliche an der ganzen Situation ist in meinen Augen jedoch, dass wir so mit Lybien beschäftigt sind, dass uns die Verbrechen in Bahrain, Syrien und Co. völlig egal sind. Allerdings seien wir ehrlich, wir haben weder die finanziellen, noch die militärischen Kapazitäten um an allen Fronten zu kämpfen.

  • GS
    Gunnar Sturm

    @ Thomas Sch.

     

    Sie haben völlig Recht. Bedenklich sind zudem die Medien...die lassen sich sehr leicht ausnutzen. Per Pressemeldung (von AFP, IRIN usw) wird immer wieder gemeldet: "Sanktionen gegen den Diktator beschlossen" bis man nichts anderes mehr hört.

     

    Zudem haben Sie in Ihrer Aufzählung Elfenbeinküste vergessen. Da hat Frankreich über ein Jahrzehnt die Rebellen aufgebaut, und nun mittels gefälschter Wahlen (Mittäter UNOCI) seinen Agenten (Ouattara) an die Macht geschossen!

  • V
    vic

    Das UN-Mandat beschränkt sich auf die Einrichtung einer Flugverbotszone. Was seitdem geschieht, ist ein neuer Angriffskrieg mit zweifelhaften Motiven.

    Auch die Bundesregierung gedenkt Waffen zu liefern. Erstaunlicherweise an Leute, die sie in anderen Konflikten Teroristen nennen würde.

  • JL
    julius lieske

    "Die westliche Militärallianz unterstützt die libyschen Rebellen mit Luftangriffen in ihrem Bemühen, Gaddafi von der Macht zu vertreiben."

     

    "während andere Nato-Staaten wie Großbritannien und Frankreich auf der Grundlage eines UN-Mandats Ziele der Gaddafi-Regierung angreifen."

     

    "Die Unabhängigkeit der taz ermöglichen über 10000 Genossinnen."

     

    "unabhängig" von was? Von Tatsachen? Wahrheit? Moral?

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    Eine kleine Internationale Schwerstkrimineller greift einen anderen Staat an, um den erwünschten Regime-Change zu realisieren.

     

    Dabei nehmen sie als Kollateralschaden billigend den Tod von Zivilisten in Kauf.

    Der Begriff "Terrorismus" muss nicht neu definiert werden, er beschreibt zutreffend das Handlungsspektrum der herrschen NATO-Akteure.

     

    Darüber hinaus herrscht Nachrichtensperre.

  • M
    Maik

    "...auf der Grundlage eines UN-Mandats..." Es gibt keine UN-Grundlage für einen Regime-Change. Das wäre und ist völkerrechtswidrig, auch wenn es bei der taz niemanden interessiert.

  • TS
    Thomas Sch.

    Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis. Gegründet um Miteinander gegen Agressoren zusammenzustehen. Und nun macht sie sich zum Handlanger Einiger, die zeigen wollen, daß sie dicke Eier haben, nicht wahr, Herr Sakozy ? An Ghaddafis Stelle hätte ich auf den (lt. Völkerrecht:) Überfall auf mein Land als Kriegserklärung gewertet, dies sofort öffentlich kundgetan und in derselben Sekunde meiner Luftwaffe befohlen (beispielsweise) Marseille zu bombardieren. Soweit hätten die das noch geschafft, ohne daß die NATO hätte eingreifen können.

    Was in aller Welt tun wir (!?) in Libyen ? Die Begründung der paßgenau zusammengeschusterten "Wir- dürfen-da-eingreifen-Resolution" würde genauso gut auf Syrien passen und noch ein Haufen anderer Länder nicht nur in der Levante. Neinneinnein, was da hinter den Kulissen passiert, scheint mir etwas anderes zu sein: Man (ich habe da meinen Verdacht) probiert aus, inwieweit sich die (manipulierbare) NATO zum Werkzeug bestimmter Interessen machen läßt, ohne sich auch nur im mindesten zu erinnern, wofür die NATO mal gegründet worden war. Was glauben die anderen Autoren hier ?