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Krieg in LibyenZivilbevölkerung in Sirte leidet

Es mangelt an Trinkwasser und Nahrung: Die Lage der Bevölkerung im umkämpften Sirte ist laut Rotem Kreuz "sehr schlecht". Doch die Kämpfe dauern an. Die Nato sieht indes ein Ende ihrer Mission.

Kampf um Sirte: Soldaten des Übergangsrats. Bild: dapd

TRIPOLIS/ KAIRO dpa/dapd/afp |Truppen des libyschen Übergangsrats und Anhänger des gestürzten Machthabers Muammar al-Gaddafi haben sich am Samstag schwere Kämpfe in Gaddafis Heimatstadt Sirte geliefert. Nach einem Bericht des Nachrichtensenders al-Dschasira leisteten die im Stadtzentrum verschanzten Gaddafi-Milizen erbitterten Widerstand. Vor allem auf Dächern postierte Heckenschützen bereiteten den Truppen des Übergangsrats erhebliche Schwierigkeiten. Die Heckenschützen würden auch Zivilisten unter Beschuss nehmen, die aus der Kampfzone flüchten wollten.

Über eventuelle Verluste lagen keine verlässlichen Angaben vor. Eine Gruppe von Rotkreuz-Helfern, die in den westlichen Teil von Sirte vorgedrungen war, berichtete indes von einer "sehr schlechten" Lage der Zivilisten. Neben dem Beschuss durch die Gaddafi-Milizen litten die Anwohner auch unter Mangel an Trinkwasser und Nahrungsmitteln.

Der libysche Übergangsrat dementierte unterdessen Berichte über die Festnahme des früheren Gaddafi-Regierungssprechers Mussa Ibrahim. Zwar seien einige Familienmitglieder von Mussa Ibrahim aufgegriffen worden, nicht aber Gaddafis Sprecher selbst, teilte der Übergangsrat am Samstag nach Angaben des Senders al-Arabija mit. Die Suche nach Mussa Ibrahim dauere an. Am Donnerstag hatte der Fernsehsender der Aufständischen von Misrata die Festnahme von Mussa Ibrahim gemeldet.

Dessen deutsche Ehefrau Julia Ramelow hat inzwischen nach offiziellen Angaben das seit Monaten umkämpfte Libyen in Richtung Heimat verlassen. "Das Auswärtige Amt hat Frau Ramelow und ihrem Kind konsularische Hilfe zur Ausreise nach Deutschland gewährt", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Freitag in Berlin.

Waffen für Ägypten

Die Nato könnte nach Ansicht eines US-Generals bereits kommende Woche die Weichen für ein Ende ihrer Mission in Libyen. stellen. Die militärische Operation sei weitgehend abgeschlossen, sagte der leitende General des US-Kommandos für Afrika, Carter Ham. Wenn hohe US-Militärs Ende kommender Woche bei einem Nato-Treffen in Brüssel ihre Einschätzung der Situation abgeben, könnte das Ende der Mission beschlossen werden, auch wenn der frühere Machthaber Gaddafi weiterhin auf freiem Fuß sei. Die Arbeit der Nato werde zwar auch nach einer solchen Entscheidung nicht sofort komplett eingestellt, aber es würde vermutlich keine Luftangriffe mehr geben, sagte Ham. Erst vergangene Woche hatte die NATO das Mandat für ihre Mission um weitere 90 Tage verlängert.

Die im August in einer Residenz Gaddafis entdeckten Waffen aus Deutschland sollen einem Zeitungsbericht zufolge aus einer Lieferung von Hersteller Heckler & Koch nach Ägypten stammen. Die deutsche Regierung habe 2003 für 608 Sturmgewehre und Munition Exportgenehmigungen nach Ägypten erteilt, berichtete die Bild am Sonntag. Aus dieser Lieferung stammten offenbar die Bestände des Sturmgewehrs "G36", die im August in einer Gaddafi-Residenz in Tripolis entdeckt worden waren.

Eine Sprecherin von Heckler & Koch bestätigte der BamS das Ägypten-Geschäft. Die Lieferung nach Ägypten sei legal erfolgt, betonte sie. Wie die Waffen von dort in die Gaddafi-Residenz gelangen konnten, sei unklar. Die deutschen Waffen waren laut übereinstimmenden Berichten den Kämpfern der neuen Führung in Libyen Ende August in die Hände gefallen, als sie eine Residenz von Gaddafi in der Hauptstadt stürmten.

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10 Kommentare

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  • HK
    Henner Kroeper

    Jürgen Orloks Kommentar stimme ich voll zu.

    und zu "Nur leider fehlt der Gott, der NATO&Co vernichtet"

    Nur nicht zu optimistisch. Dieser Gott steht schon in den Startlöchern um die Nato, ihre Dienstherren aus den beteiligten Ländern (indirkt gehört auch Deutschland dazu) und leider auch deren mit Lammgeduld und Kadavergehorsam ausgestattete Zivilbevölkerung ins verdient Chaos zu stürzen. Das heißt nicht das ich das für gut befinde aber jeder Analythiker, ausser sein Hirn ist vollgekoxst muß zu der selben Schlußfolgerung kommen.

  • JO
    Jürgen Orlok

    Es wird einmal wieder nur abgeschrieben, von zweifelhaften Quellen, Qualitätsjournalismus eben.

    1. Es gibt keine Gaddafi-Milizen , es sind die rechtmäßigen Streitkräfte Libyens.

    Für mich hat eine vom Ausland an die Macht gebombte Gruppe, unter Bruch ALLER UN-Resolutionen keinerlei Legitimität. Wie auch die UN jetzt absolut illegitim sind, wenn sie je legitim waren.

    2. Die angebliche Aussage des "Roten Kreuz" über den Beschuß der eigenen Leute durch Gaddafi hätt ich doch gern unter Angabe der IKRK-Quelle. Jedem Trottel sollte aufgefallen sein, daß es NICHT der Stil des IKRK ist, solche Äußerungen zu tun, einfach mal die bisherigen offiziellen Statements des IKRK zu Libyen nachlesen.

    3. Heckenschützen auf den Dächern bremsen keine stärker bewaffneten Gruppen. Doch nicht einmal NATO-24h-Bombardements ( siehe Auslanspresse ) haben den Rebellen bisher zum Sieg verholfen!!!

    4. Hier wird der Vernichtungskrieg von NATO&Co und ihren Schützlingen geführt, den Gaddafi NIE gegen sein Volk geführt hat.

    Dies wird mittlerweile sogar ganz offiziel bestätigt. Der Chef des US-Afrika-Kommandos (Africom), Carter Ham : „Wir wollen die Zusammenarbeit (..mit dem NTC ) nicht über Nacht auf Null herunterfahren.“

     

    Bitte zeigt mir die Passagen in den UN-Res 1790, 1793 in denen Unterstützung von Rebellen/Terroristen zugelassen wird !

    Ich bin ja nicht religiös, aber manchmal bedauere ich es. Das Bild von Sodom und Gommorah fällt mir ein. Nur leider fehlt der Gott, der NATO&Co vernichtet, wie die beiden biblischen Städte.

  • T
    toddi

    historische Parallelen im Stürmer oder sonstigem Blatt des faschistischen Deutschlands hätte sein können

    "Bevölkerung von Lenin/ Stalingrad leidet ..." oder ähnlich "aufrichtig" "Die Warschauer Juden leiden ..." die Rezepte der "Befreier" damals wie Heute zumindestens ähnlich.

    Haltet den Dieb- er hat mein Messer im Rücken.

    Solche "Berichte" sind es ja kaum noch wert, Ernst genommen zu werden -ausser Menschen glauben daran ... dann ist man leider sogar gezwungen dazu ein Wort zu verlieren.

  • HS
    Hari Seldon

    @abuweli: Sie schreiben "Seit der Einahme von Tripolis ist der libysche Buergerkrieg entschieden.". Bin nicht so sicher. Es ist kein Zufall, dass das NATO-Militär so schnell wie möglich aus diesem Abenteuer raus will. Ca. 70% des Landes ist unter Kontrolle der libyschen Patrioten, ca. 80% der Bevölkerung steht feindlich gegenüber der Rebellen, mehr als Hälfte von Tripoli ist nicht mehr unter Kontrolle der Rebellen, jeden Tag werden die Patrioten die Rebellen aus mehr Städten rausschmeissen (sogar in Benghazi stehen vier Vierteln unter der grünen Flagge, und ca. die Hälfte von Misrata ist unter der Kontrolle der "nicht rebellenfreundlichen" Stämmen). Warum bomben und morden die Amerikaner, Franzosen, und die Briten weiter? Weil die wissen, dass ohne NATO Terrorangriffe die Bevölkerung die Marionetten (die Rebellen) sehr schnell wegräumen würden. Das Militär hat jetzt den Politikern gesagt: "Jungs, die Kamelentreiber der NTC, die notorisch lügen (gefangengenommene Gaddhafi Söhne, gefangenommener Gaddhafi-Sprecher, Kamelenknochen als Massengrab, ganz Lybien wird zwei mal täglich erobert, usw.) haben euch sehr schön über den Tisch gezogen. Aber jetzt reicht es. Jetzt sollten die NTC-Räuber selber zeigen, was die eigentlich können". Und falls die Bevölkerung die Clowns der USA-NATO-Politiker nicht mag, und das Volk diese Kriminelle vertreiben wird, ist es das Problem der Politiker und nicht des Militärs. Jetzt sieht man, dass Frau Merkel wie genial war: Sie hat von Anfang an die Lagebeurteilung des deutschen Militärs gefolgt. Bin gespannt, wie lang die Lebensdazuer der NTC ohne NATO Terrorangriffen sein wird. In Benghazi ("die Wiege der Revolution") schützen schon seit langem Eliteenheiten aus Katar "die Revolutionäre" gegen das eigene Volk. Die TAZ sollte langsam umschalten, weil sogar die CNN-Mediaclowns über die Misserfolge und Straftaten der Rebellen berichten.

  • IN
    Ihr Namerose

    Zivielbevölkerung leidet? War der NATO-Krieg in Lybien nicht mit der Begründung des" Schutzes der Zivielbevölkerung" geführt worden?Was tut die NATO denn,um das Leiden der Zivielbevölkerung zu lindern?

    Bombardieren und mit Raketen beschiessen!Ach ja,in Sirte leben ja die Gadaffi-Anhänger,die es ,wie im Rest-Lybien, auszurotten gilt.Deshalb sind die Verbrechen der NATO-Verbündeten keine Kriegs-und Menschenrechtsverbrechen sondern "Schutz der Zivilbevölkerung"!

  • HK
    Henner Kroeper

    Die Heckenschützen würden auch Zivilisten unter Beschuss nehmen,

    Man weiss nichts genaues, aber das weiss man.

  • Z
    Zenta

    Was uns die Kriegstaz nicht sagt "...rollende Bombenangriffe der NATO auf..." (ZDF)

  • HS
    Hari Seldon

    Der Titel "Zivilbevölkerung in Sirte leidet" wirft natürlich einige Fragen auf. Erstens: Warum leidet die dort seit Jahrhunderten ansässigen Bevölkerung? Wer greift diese Bevölkerungsgruppe an? Die Antwort ist klar: Fremde Räuber- und Killerbanden mit Hilfe von NATO-Terrorangriffen. Und diejenige, die die eigene Bevölkerung schützen, werden sogar in TAZ verteufelt. Bitte, meinen die deutschen Medien, dass ein Agressor immer Recht gegen die Opfer hat? Es ist eine sehr kurioses Demokratieverständnis. Die Bevölkerung in Sirte hat keine NATO-Terrorangriffe bestellt, und hat---wie überall auf aller Welt---Anspruch auf Selbstverteidigung gegen fremden Agressoren. Die NATO hat angeblich die Aufgabenstellung, die zivile Bevölkerung zu schützen. Dann warum greifen die NATO Flugzeuge nicht die Angriffstruppen an? Vor den NATO-Terrorangriffen gab es keinen Wasser-, Strom-, usw. Mangel in Sirte. Oder gibt es eine "neue Demokratie" in Form von Völkermord, Terorrangriffe, usw.?

  • A
    abuweli

    Die NATO ist durchgefallen beim Lackmus-Test zum "Schutz der Zivilbevoelkerung" (eben auch in Sirte)Laut UN-Beschluss DER Grund fuer die militaerische Intervention. Das Rote Kreuz erhielt erst nach einem Monat Zugang.

    Seit der Einahme von Tripolis ist der libysche Buergerkrieg entschieden. USA, Briten und Franzosen bomben dennoch weiter. Sie definieren letztlich wer schuetzenswerte Zivile sind und wer nicht. Gut, dass einige Mitglieder des Sicherheitsrats dieses Spiel durchschauen und sich damals der Stimme enthielten. Wenn auch aus wirtschaftlichem Eigeninteresse, zum Schutz Ihrer Investitionen.

    Von einer einheitlichen NATO-Politik nicht mehr zu sprechen ...

  • BG
    Bernd Goldammer

    Warum ergeben sich die Angegriffenen ihren Mördern nicht einfach? Wenn sogar die UN zur gekauften Kriegspartei geworden ist, dann ist das Volkerrecht wertlos.