: Krieg gegen Kritiker
betr.: „Genua, Bin Laden, eine Front“, taz vom 18. 2. 02
Das Vorliegen eines Schießbefehls für die Polizei anlässlich der Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel in Genua lässt einerseits das Vorgehen der Polizei im Allgemeinen und den Tod von Carlo Giuliani im Besonderen in einem anderen Licht erscheinen.
War die Hemmschwelle der Polizei zur Gewaltanwendung zu Anfang der Proteste von Globalisierungskritikerinnen und -kritikern noch recht hoch, sank sie bereits in Göteborg, wo ein Demonstrant angeschossen wurde. Der Schießbefehl in Genua hat diese Hemmschwelle ins Bodenlose sinken lassen. Andererseits gibt er zu Befürchtungen Anlass, die Polizei in Barcelona könnte während des EU-Gipfels vom 9. bis 15. März 2002 ähnlich hart gegen Demonstrantinnen und Demonstranten vorgehen.
Dass diese Sorge nicht unberechtigt ist, belegen die Äußerungen der spanischen Regierung, die derzeit die EU-Präsidentschaft innehat. Die Mitgliedstaaten hätten „eine graduelle Steigerung der Gewalt und der kriminellen Sachbeschädigung, ausgelöst von radikalen extremistischen Gruppen, bei verschiedenen Treffen der EU erlebt, wodurch die Gesellschaft eindeutig terrorisiert wird“. Globalisierungskritische Organisationen wie Attac sind laut spanischer Regierung Organisationen, „die sich ihren rechtlichen Status zum Vorteil machen, um die Ziele terroristischer Gruppen zu unterstützen und zu begünstigen“. Da bleibt nur zu hoffen, dass die innereuropäisch lokalisierten neuen „Terroristen“ (Globalisierungskritikerinnen und -kritiker) und ihre „Tarnorganisationen“ (Attac u. a.) nicht mit Waffengewalt bekämpft werden, wie es derzeit überall auf der Welt in Mode gekommen ist, da sich sonst die Zahl der Toten massiv vermehren könnte. Aber vielleicht erinnert sich die spanische Regierung noch rechtzeitig daran, dass die EU anlässlich ihres Beschlusses einer gemeinsamen Terrorismusdefinition verkündet hat, zwischen „Terroristen“ und „politischen Aktivisten“ zu unterscheiden und den Globalisierungskritikerinnen und -kritikern letzteren Status einzuräumen. ALEXANDER THAL, Gauting
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