: Krieg entgrenzen ist logisch
betr.: „Die unvollendete Mission“, taz vom 13.03.07
Dem äußerst lesenswerten Artikel von Niels Werber möchte ich noch einige Punkte hinzufügen. Die Unterscheidung zwischen Krieg nach Konventionen und entgrenztem Nicht-Krieg lässt sich nicht klar treffen. Beide Konfliktformen versetzen die bewaffneten Kämpfer in eine Machtposition gegenüber den unbewaffneten Zivilisten. Dass es in einer solchen Situation zu Übergriffen kommt, liegt nicht an der Form des Konflikts, sondern am menschlichen Wesen. Der zitierte Martin van Crevelt spricht gar von einer „Trennlinie“ zwischen den Konfliktformen, die überschritten sei, wenn Soldaten nicht mehr „im Einklang mit vorgeschriebenen Regeln“ töteten und so zu Mördern würden. Das ist schlicht falsch. Eine Tötung nach Regeln ist immer noch eine Tötung. Ob diese im Nicht-Krieg impulsiv und wahllos erfolgt oder im konventionellen Krieg hochdiszipliniert auf Befehl und ohne Überprüfung durch das eigene Gewissen – zu Clausewitz’ Zeiten waren Soldaten nicht weniger Mörder als heute.
Konventioneller Krieg und Nicht-Krieg sind nicht unabhängig voneinander, sondern eher aufeinander folgende Eskalationsstufen. Werber schreibt: „Athenes Unterscheidung von Krieg und Frieden zivilisiert den Krieg. Denn die Gewissheit, dass auf den Krieg der Frieden folgt, der ja notwendig mit dem Feind zu schließen ist, wirkt mäßigend auf die Kriegsführung.“ Genau hier liegt die Verbindung. Eine gemäßigte Kriegsführung bringt einen schwächeren Willen zum Sieg mit sich und somit auch schlechtere Chancen auf diesen. Es ist also in der Logik der Gewalt nur konsequent, den Krieg zu entgrenzen. Dieser Logik kann sich nicht mehr entziehen, wer sich einmal auf Gewalt als Mittel einlässt. Genau aus diesem Grund kann Krieg auch nicht, wie Clausewitz behauptet, Fortsetzung der Politik sein, da er den politischen Akteuren ihre Handlungsfreiheit nimmt.
JAN PAUL LINDNER, Stuttgart