Der Wochenendkrimi : Kreismalerei und Serienkiller
„Polizeiruf 110: Vorwärts wie rückwärts“, So., 20.15 Uhr, ARD
Symmetrie und Ganzheit. Danach strebte der Mensch schon immer. Und ganz besonders wohl der Synchronspringer, der jetzt tot im Schweriner Naturseebad aufgefunden wird – im Kopfhörer des Walkman ein trübes Darkwave-Lied, in der Wasserflasche eine giftige Chemikalie. Offensichtlich ein Freitod. Kurz zuvor ist sein Teampartner gestorben; da muss das Leben des Kunstspringers aus dem Takt geraten sein.
Das denkt zumindest Kommissar Hinrichs (Uwe Steimle), der gerade viel Zeit auf der Couch einer Psychologin verbringt, um ihr von der eigenen verzweifelten Suche nach Symmetrie und Ganzheit im eigenen Beziehungsleben zu erzählen. Hinrichs Ehe droht zu zerbrechen, der Polizist will einen Ratschlag, dafür hat er bezahlt. Die Psychologin aber schweigt – genauso wie Kollege Törner (Henry Hübchen), der rauchend und saufend in den Nebel der Mecklenburger Seenplatte starrt. Temporärer Trinkgefährte ist ihm ein Indianer des US-Grenzschutzes, der Törner während eines Survival-Seminars in die Kunst des Verschwindens einführt.
Schwermut und Ironie: Nirgendwo geht das so gut zusammen wie im „Polizeiruf“ des NDR. Stammautorin Beate Langmaak legt die Krimidramen aus Schwerin eher als Assoziationsketten denn Täterrätsel an, und Hannu Salonen hat mit „Vorwärts wie rückwärts“ nun bereits seine zweite Episode der Reihe als heiter bis wolkigen Bilderbogen in Szene gesetzt. Knobelfreunde kommen auch diesmal wieder nicht auf ihre Kosten. Zwar geht es um Mandalas oder Palindrome – doch Mal-, Wort- und Gedankenspiele, die anderswo zur Ergreifung des Täters führen, werden in Mecklenburg allenfalls ad absurdum geführt. Wenn man hier mal durch den nihilstischen Nebel in einen Serienkiller tappst, ist das eher dem Zufall geschuldet.
Darüber mögen sich die Krimi-Bürokraten unter den Zuschauern grämen – na und? Bezeichnenderweise lässt sich ausgerechnet Kripo-Bürokrat Hinrichs beim gemeinsamen Berlinbesuch mit Törner von osteuropäischen Hütchenspielern austricksen. Die Hütchenspielertricks des deutschen Fernsehen, damit will man beim NDR-„Polizeiruf“ nichts zu tun haben.
Schade nur, dass Henry Hübchen – und mit ihm die Figur des grau melierten Motzers Törner – aus der löblich eigensinnigen Reihe aussteigt. Hübchen ermittelt demnächst als Fernsehkommissar für die ARD in Triest, die entstehende Lücke soll Felix Eitner füllen. Törner und Hinrichs waren zwar immer ein extrem asymmetrisches Gespann, sie belauerten sich allzeit misstrauisch und machten sich ständig Vorhaltungen. Am Ende haben sie aber ein ziemlich effizientes Ganzes ergeben. Die perfekte Ehegemeinschaft. C. BUSS