Krawallhilfe BlackBerry: Abschalten? Ja, wenn es sein muss

Ein Ausschuss des britischen Parlaments hat versucht, die Rolle von Onlinediensten bei den Krawallen zu klären. BlackBerry will künftig enger mit der Polizei zu kooperieren.

Kann man jetzt seinen BlackBerry in die Tonne schmeissen, weil's mit dem Datenschutz nicht mehr hinhaut? Bild: reuters

LONDON taz | „Wir halten uns an das Gesetz, und wenn wir angewiesen werden, die Netzwerke abzuschalten, so werden wir mit Mobildienstleistern zusammenarbeiten, um dieser Verpflichtung nachzukommen“, erklärte Stephen Bates, Geschäftsführer von Research in Motion (RIM) in Großbritannien und Irland vor einem Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments.

Der BlackBerry-Chef war neben Vertretern von Facebook und Twitter von britischen Regierungsmitgliedern nach der Rolle sozialer Netzwerke während der Krawalle im Vereinigten Königreich befragt worden – und danach, wie die Kommunikationsunternehmen auf mögliche restriktive Maßnahmen reagieren würden. Grundsätzlich, so der Brite weiter, seien soziale Medien in seinen Augen eine „Kraft für das Gute“. Eine Äußerung, die sich möglicherweise darauf bezog, dass die internationale Medienorganisation Reporter ohne Grenzen RIM dafür kritisierte, dass das Unternehmen im vergangenen Monat kanadischen Ordnungshütern dabei half, Krawallmacher zu identifizieren, die sich per BlackBerrys Messengerdienst BBM verständigt hatten.

In diesem Sinne ließ der britische BlackBerry-Chef keine Zweifel daran, dass sein Unternehmen mit den Ordnungskräften kooperieren würde: „Wenn es eine legitime Anfrage von der Polizei gibt, dann werden wir sie beantworten“, resümierte Bates. „Natürlich ist es keine Frage, dass soziale Medien für bösartige Zwecke eingesetzt wurden“, gab der RIM-Chef zu. Aber auch wenn BlackBerry das Mobiltelefon der Wahl für die britische Jugend sei, so sei die Mehrheit seiner sieben Millionen Nutzer, darunter viele Polizeibeamte und Angestellte von Spitzenunternehmen, doch gesetzestreu.

Neben dem BlackBerry-Vertreter waren noch Richard Allan, Policy Director von Facebook, und Alexander Macgillivray, Berater für Öffentlichkeitsfragen von Twitter, vor den Ausschuss zitiert worden. Beide betonten, dass ihre Dienste für kriminelle Aktivitäten zu öffentlich seien . „Unsere Nachforschungen haben ergeben“, betonte Macgillivray, „dass unsere Dienstleistungen kein besonders gutes Werkzeug für das Organisieren von illegalen Aktivitäten sind.“

Beide sprachen sich gegen eine Abschaltung von sozialen Netzwerken in Krisenzeiten aus, denn die User von Twitter, Facebook und BBM würden Social Media unter anderem dazu nutzen, um sich nach dem Wohlbefinden und Verbleib von Freunden und Verwandten zu erkundigen. „In allen Fällen“, erklärte der Twitter-Berater, „in denen bisher eine Sperrung in Erwägung gezogen wurde, hielt das sogar die Polizei für eine schlechte Idee. Gibt es einen hypothetischen Fall, bei dem es sinnvoll sein könnte? Ich weiß es nicht. In den Fällen in denen Gesellschaften oder einzelne Organisationen Kommunikationsnetzwerke geschlossen haben, hat es sich als nachteilig erwiesen.“

„Als Dienstleister würde man sich natürlich nie dafür aussprechen, dass der eigene Service abgeschaltet wird“, sagte Facebook-Vertreter Richard Allan, aber in Ländern in denen eine solche Entscheidung auf einer vernünftigen gesetzlichen Grundlage beruhe, sie also nicht beliebig gefällt würde, könne ein Serviceprovider das nachvollziehen und akzeptieren.

Tatendrang verpufft

Sowohl BlackBerry als auch Facebook hatten während der Riots Anfragen von der britischen Polizei bekommen, aber keine Informationen preisgegeben. Die Rolle der sozialen Netzwerke war im Anschluß an die vier Tage dauernden August-Unruhen sehr kritisch betrachtet worden. Der Grund: Die Randalierer hatten ihre Aktivitäten unter anderem mit Hilfe von BlackBerrys Messengerservice, Facebook und Twitter koordiniert. Während ihre Versuche, über soziale Netzwerke zu kommunizieren, sich aber als nicht besonders effektiv erwiesen, war das BlackBerry ein nützliches „Riot-Instrument“. Kein Wunder also, dass für die Unruhen im Vereinigten Königreich schnell der Begriff „BlackBerry Riots“ gebräuchlich wurde.

Premierminister David Cameron hatte nach den Ausschreitungen angekündigt, knallhart durchzugreifen, um die Rolle von sozialen Netzwerken in Krisenzeiten massiv einzuschränken. Es sollten Maßnahmen beschlossen werden, um den Ordnungshütern Zugriff auf die Daten von Krawallmachern in den populären Kommunikationsplattformen zu verschaffen. Sogar von einer kompletten Blockade von Social Media war die Rede. Der ursprüngliche Tatendrang des Regierungschefs verpuffte allerdings recht schnell, denn eine Schließung der sozialen Netzwerke wurde während der Anhörung allenfalls verhalten an die Vertreter von Facebook & Co. herangetragen, aber keineswegs eingefordert.

Die Frage, die gestellt werden muss: Missbraucht BlackBerry das Vertrauen seiner User, wenn sich das Unternehmen bereit erklärt, Benutzerdaten an Ordnungshüter weiterzugeben? BBM ist ja unter anderem so populär, weil die Behörden eben keinen Zugriff auf die von Nutzern übermittelten, verschlüsselten Daten haben. Die Tage von BlackBerry als eines der letzten Bollwerke des Datenschutzes scheinen gezählt zu sein.

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