Krach um Krach im Schanzenviertel: Wohngebiet wird Lärmmeile
Anwohnerinitiative will Ausweitung der Außengastronomie juristisch zu Fall bringen. Auflagen werden von etlichen Kneipiers schon heute nicht eingehalten.
HAMBURG taz | Die Anwohnerinitiative Schanzenviertel geht juristisch gegen die Ausweitung der Außengastronomie in der Susannenstraße vor. Wie sie bekannt gab, reichte bereits vorige Woche ein dortiger Hauseigentümer einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Verwaltungsgericht ein.
Mit ihm sollen die im April begonnenen Umbau-Maßnahmen in der Susannenstraße gestoppt werden. In der Straße, die von der Gastronomie-Meile Schulterblatt abgeht, werden derzeit Parkbuchten in Flächen umgewandelt, auf denen die anliegenden Kneipen und Lokale weitere Tische und Sitzbänke aufstellen können. Noch in dieser Woche rechnet die Initiative mit einer Entscheidung über den Eilantrag des Hauseigentümers.
"Wir wollen keinen Friedhof, aber wir wollen den Charakter des Viertels erhalten", gibt Anwohner Willi van Buggemann die Richtung vor. Seit das Schulterblatt "gastronomisch aufgerüstet" habe, schwappen die Touri-Massen in die Susannenstraße über, sind auch bei den dortigen Kneipiers die Begehrlichkeiten gewachsen, ihren Gästen Open-Air-Sitzgelegenheiten zu bieten.
Ein Beschluss der Altonaer Bezirksversammlung sieht nun fast eine Verdoppelung der Flächen für Außengastronomie vor. Die Folge für die Anwohner: größere Menschenmassen, mehr Müll und ein Lärm, der besonders am Wochenende die ganze Nacht nicht abebbt.
In seinem Antrag beruft sich Anwalt Ullrich Wollenteit darauf, dass die Susannenstraße "im Baustufenplan St. Pauli beidseitig als Wohngebiet ausgewiesen" sei und die Emissionsrichtlinien für allgemeine Wohngebiete damit einzuhalten seien.
Doch nach mehreren von den Einwohnern in Auftrag gegebenen Lärmmessungen lag die akustische Belästigung schon vor Beginn des Umbaus weit über allen Richtlinien und Grenzwerten. "Ein Wohngebiet ist kein Lärmgebiet", klagt van Buggemann.
Besonders ärgert die Anwohner, das selbst Minimal-Auflagen von den Gastronomen nicht eingehalten werden und die Verwaltung zum Teil irreführende Auskünfte erteilt. So haben die bereits errichteten neuen Freiluftflächen klare Außengrenzen, die allerdings - wie eine gestrige Begehung bewies - von den Wirten nicht eingehalten werden.
Auch wurde der Bezirksbeschluss, den Eckgrundstück-Gastronomen, die schon in einer von der Susannenstraße abzweigenden Straße das Pflaster bestuhlt haben, keine Außengastronomie in der Susannenstraße zu erlauben, von der Verwaltung nicht umgesetzt.
Obwohl die meisten gastronomischen Betriebe von vormittags bis tief in die Nacht durchgehend geöffnet sind, geht Altonas Bezirksamt bei seinen Lärmprognosen von einem "realistischen Nutzungsdaueransatz von sechs Stunden" aus und behauptet zudem, es gäbe keine Anwohnerbeschwerden über den Susannenstraßen-Krach. Und das, obwohl die Anwohnerin über einen prallvollen Ordner kopierter Beschwerdeschreiben verfügt, deren Originale an das Bezirksamt adressiert wurden.
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