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Kosten für Therapie nach MissbrauchKatholische Kirche zahlt nicht

Die katholische Kirche will Missbrauchsopfer unterstützen. Doch wenn es darum geht, einem Betroffenen eine erfolgte Therapie zu bezahlen, wird sie kaltschnäuzig.

Warme Worte, aber kein Geld: Bistum Essen. Bild: dpa

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann zeigte sich zerknirscht. "Wir wollen ansprechbar sein, wollen wissen, was erlitten wurde, und den Betroffenen bei der Aufarbeitung beistehen", sagte der sogenannte Missbrauchsbeauftragte der katholischen Kirche Ende März beim Start der kirchlichen Hotline für die Opfer sexuellen Missbrauchs in katholischen Einrichtungen. Er verwies auf den Beschluss der Bischöfe von Ende Februar in Freiburg, "den Betroffenen zu helfen" - und betonte zugleich, er sei den Opfern "aufrichtig dankbar", dass sie "den Mut gefunden haben, zu erzählen, was ihnen angetan wurde". Hohle Worte?

Darauf deutet ein Fall hin, den die taz aufgedeckt hat. Beim Bistum Essen hatte sich vor ein paar Wochen ein Berliner gemeldet, der als Siebenjähriger Ende der Sechzigerjahre Opfer mehrfachen sexuellen Missbrauchs durch einen Priester geworden war. Er bat um ein Gespräch mit dem Täter, einem mittlerweile rund 80-jährigen Geistlichen. Das Gespräch fand in einem Raum des Bistums zusammen mit Vertretern der Diözese statt.

Dabei räumte der Täter zumindest teilweise den Missbrauch ein. Daraufhin forderte das Opfer das Bistum in einem Schreiben auf, die Kosten einer dreijährigen Psychotherapie zu übernehmen, die der Geschädigte bis 2007 auf eigene Kosten gemacht hatte - immerhin knapp 17.000 Euro. Das Opfer sagt, es sei wegen der Kostenübernahme nicht an eine Krankenkasse herangetreten, weil es sich geschämt habe. "Ich wollte nicht, dass das irgendjemand weiß." Erst nach den jüngsten Enthüllungen, so der Berliner, habe er sich überwunden, bei der Kirche vorstellig zu werden.

So schwer es dem Opfer nun fiel, beim Bistum die Kosten für die Therapie einzufordern, so knapp und kalt war die Antwort des Personaldezernenten darauf: "Was die Übernahme von Therapiekosten betrifft, so gibt es bei uns folgende Regelung: Die Kosten zurückliegender Therapien können nicht erstattet werden." Und wenn das Opfer eine neue Therapie anstrebe, müsse diese der Täter zahlen, sollte die Krankenkasse dies nicht tun.

Diese kirchliche Knauserigkeit widerspricht vielleicht nicht dem Buchstaben, aber dem Geist der "Leitlinien", die sich die deutschen Bischöfe schon 2002 für den Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs durch Kirchenangehörige gegeben haben. Darin heißt es: "Dem Opfer und seinen Angehörigen werden menschliche, therapeutische und pastorale Hilfen angeboten." Und weiter: "Finanzielle Unterstützung therapeutischer Maßnahmen ist im Einzelfall möglich." Ende Februar bekräftigten die Oberhirten noch einmal: "Die Leitlinien sagen den Opfern und ihren Angehörigen eine menschliche, therapeutische und seelsorgerische Hilfe zu, die individuell angepasst ist."

Auf die Frage, warum die alten Therapiekosten nicht übernommen würden, erklärt die Pressesprecherin des Bistums Essen, Dorothee Renzel-Walter, der taz: Man könne eben "die Altfälle nicht alle im Blick haben", das sei "nicht kontrollierbar in dem Sinne". Was eine zukünftige Therapie angehe, sei sie sicher: "Das Opfer bleibt auf keinem Fall auf den Kosten sitzen." Das Geld für eine neue Behandlung werde der übergriffige Pastor laut Beschluss des Bischofs Franz-Josef Oberbeck von seiner Pension aufbringen müssen. Das Opfer müsse den Geistlichen nicht verklagen.

Das Ganze scheint in der deutschen Kirche kein Einzelfall zu sein: Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, betont zunächst, dass man zu dem konkreten Fall in Essen keine Stellungnahme abgeben wolle, "da es sich um einen speziellen Fall eines Bistums handelt". Es gebe jedoch für die 27 deutschen Bistümer keinen generellen Beschluss, dass die Kosten zurückliegender Therapien für Missbrauchsopfer nicht gezahlt würden. Das Ganze aber sei eine Entscheidung der jeweiligen Diözese. Kopp vermutet, dass das in anderen Bistümern anders gehandhabt werde als in Essen. Die deutschen Bistümer sind weitgehend autonom, die Bischofskonferenz koordiniert in der Regel nur.

Annegret Laakmann von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" kann ebenfalls nicht sagen, ob in den deutschen Bistümern zurückliegende Therapiekosten generell nicht gezahlt würden. Sie verweist jedoch auf die Erfahrungen bei der Hotline der Kirchenvolksbewegung für die Missbrauchsopfer, die es seit 2002 gibt. Dort hätten sich etwa 400 Opfer gemeldet. Und keines von ihnen habe bisher Geld für die Kosten vergangener Behandlungen erhalten. Auch Entschädigungen seien nur "gelegentlich" gezahlt worden, sie wisse nur von drei oder vier. Dabei sei es um Summen zwischen 5.000 und 10.000 Euro gegangen. Ihrer Einschätzung nach wird es auch zukünftig nicht viele Entschädigungen durch die Bistümer geben, weil die meisten Fälle schon verjährt seien.

Christian Weisner von "Wir sind Kirche" ergänzt, es werde wohl bald wegen anstehender Entschädigungszahlen zwischen den Bistümern "ein großes Gerangel geben". Die Diözesen werden wohl wegen zu erwartender Zahlungen an die Opfer sparen müssen. Das werde für die Kirche "schmerzhaft" und erkläre auch "das Zögerliche" im Umgang mit den Opfern. Auch bei den Therapiekosten.

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19 Kommentare

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  • A
    aso

    @ hartus:

    „Kirchen zahlen nicht so gerne...“:

     

    Da gäbe ein wirksames Mittel:

     

    Kirchen-Austritt heißt ja nicht, daß man kein Christ mehr wäre...

     

    sondern, daß man sich gegen die Unsitte auflehnt, daß das Finanzamt als Inkasso-Büro des Klerus

     

    mißbraucht wird...

     

    Fazit: Die Konfession zu der man sich hingezogen fühlt hat nichts mit dem Eintrag in der Lohnsteuerkarte zu tun.

     

    Dieser Ablaßhandel gehört endlich abgeschafft. Woanders ist der Klerus auch auf Spenden

     

    angewiesen (und muß sich entsprechend darum bemühen).

     

    Es ist nicht einzusehen, daß der deutsche Klerus sich einfach zurücklehnt und einfach bequem eine Zwangs-Steuer kassiert.

     

    Außerhalb des deutschsprachigen Raums existiert nur in wenigen Ländern eine Kirchensteuer; außerhalb des Christentums existiert sie überhaupt nicht.

  • H
    hartus

    Kirchen zahlen nicht so gerne

     

    Sie lieben mehr die Einnahmen in Form von Kirchensteuer, Kollekten und anderen Spenden.

     

    Auch erben sie gerne, besonders von einsamen alten Frauen. Denen wird das dann im Jenseits angerechnet.

     

    Beim Geldausgeben tun sie sich etwas schwerer.

     

    Schließlich ist es ja schon eine große Leistung, Missetaten des Personals zu bedauern oder diese gar zu entschuldigen. Aber Kosten dürfen nicht anfallen.

     

    Vermutlich hat der Missbrauchte und später (hoffentlich erfolgreich) Therapierte auch gar nicht mit einem Kostenersatz gerechnet.

  • IN
    Irene Nickel

    Da kann man nur hoffen, dass die katholischen Knauser sich verrechnet haben: dass sie durch Kirchenaustritte empörter Noch-Katholiken mehr Einnahmen verlieren, als sie bei den Therapiekosten für die Missbrauchsopfer einsparen wollen.

     

    Hat da nicht neulich Bischof Zollitsch etwas von "falsch verstandener Sorge um das Ansehen der Kirche" gesagt? Hoffentlich hat er demnächst Grund, von "falsch verstandener Sorge um die Finanzen der Kirche" zu sprechen!

  • WB
    Wolfgang Bachelier

    Ich lebte 6 Jahre lang in evangelischen und katholischen Heimen, bin also mit Inseiderwissen versorgt. Mich wundert es, dass sich irgend Jemand über diese Heuchelei wundert.

    Die Devise ist immer: Erst mal sündigen, Buße und Vergebung erledigen sich von selbst.

    Die katholische Kirche hat völlig recht. Solange die Schafe ohne Gegenwehr von ihren Hirten geschlachtet werden, geschieht ihnen recht; warum sind sie auch Schafe - darum sind sie halt Schafe

  • W
    Wolfgang

    Entschädigungen von der Kirche?

    Wer's glaubt, wird selig.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Wie wäre es mit einem Entschädigungsfond, von staatlicher Seite eingerichtet, mit Hilfe der staatlich eingenommenen Kirchensteuern?

  • U
    USEC

    So widerlich das Vorgehen der kath. Kirche, so erfrischend ehrlich ist es in diesem Fall ausnahmsweise.

     

    Der kath. Kirche ist es zu keinem Zeitpunkt in ihrer Geschichte um etwas anderes gegangen als um Geld.

  • E
    EinKieler

    Es wundert - zumindest mich - wenig, daß die katholische Kirche Zahlungen verweigert. Schauen wir nach Irland, dort wurden 750 Millionen Euro gezahlt an ehemalige Opfer, mit weit reichenden Folgen für den Kirchenapparat.

     

    Übertragen wir das einmal auf ganz Europa oder sogar die ganze katholische Welt, wäre dies ein Einschnitt, der durch das allgemeine Mitgliederschwinden noch erheblich verstärkt werden würde und auch in der Wechselwirung mit diesem Nebenschauplatz eine dramatische Wirkung hätte.

     

    Es kann eben nicht sein, was nicht sein darf.

     

    Gott behüte, daß man noch einen Ausverkauf des Vatikans machen müsste, wo es sich so luxuriös leben läßt, fernab von all dem irdischen Kummer!

  • A
    arribert

    Hat die Kirche Angst, dass es soviele Missbrauchsopfer gibt, dass sie pleite gehen könnte?

  • NM
    norbert masson

    opfer ist opfer das sollte die kirche nicht vergessen. sie, die kirche, ist aber, da sie ein internes, staatsunabhängiges rechtssystem hat, auch täter. täter durch vertuschung!

    also, wenn die kirche nicht zahlt, muß der staat den opferschutz regeln.

    ich schlage ein gesetzt vor, das die kirche JEDEM OPFER ein schmerzensgeld in höhe von 1 million euro zahlen muß.

    nur so bekommt man diese "frommen" herrschaften in den griff, und zeigt ihnen, das es auf erden nichts absolutes gibt. auch nicht die selbstherrliche katholische kirche!

    norbert masson

  • V
    vic

    Da es sich hierbei ausschließlich um Altfälle handelt - für die keine Kosten übernommen werden - könnte manch Gläubige vielleicht auf die Idee kommen aus der RKK auszutreten. Weiß nicht, nur so ne Idee..

    Warum Gebühren bezahlen für nix?

  • OB
    Ossi Beck

    Von dieser Haltung der Kirche bin ich nicht überrascht! Was sonst könnte man von der katholischen Kirche erwarten!?! Der geht es um Schadensbegrenzung für die Institution und nicht um die Unterstützung der Opfer. Worte Sind leicht gesprochen, Taten dagegen fallen schwer.

  • BR
    Bernhard Rasche

    Mir ist kein Fall bekannt, in dem die Kirche Therapiekosten zahlen würde. Als Opfer kann ich sagen, dass auch "noch anzutretende Therapien" nicht gezahlt werden. Anderslautende Aussagen von Bischof Ackermann ignorieren schlicht die Wahrheit und die Wirklichkeit in den Bistümern! Opfer kämpfen zum Teil seit mehreren Jahren um Kostenübernahmen.

  • A
    Artan

    Dieser Sauhaufen kann sich freuen, dass es in Deutschland nicht möglich ist, so hohe Schadensersatzsummen einzuklagen wie in den USA. Denn dann müßte die deutsche Papstkirche immerhin einen Teil ihres über die Jahrhunderte zusammengeraubten, gestohlenen und ergaunerten Vermögens für die vielen Missbrauchsopfer aufbringen.

    Dass sie dies nicht freiwillig tun würde, war ja leider abzusehen.

  • HN
    herr ning

    "Doch wenn es darum Geld geht, einem Betroffenen eine erfolgte Therapie zu bezahlen, wird sie kaltschnäuzig."

     

    Gr

     

    Finde den Fehler.

     

    ....................

  • S
    saalbert

    "Doch wenn es darum Geld geht..." Nicht "um", sondern "darum"? Lirum, larum, Löffenstiel?

  • TB
    Thomas Braun

    Hat jemand ernsthaft geglaubt, die Kirche würde im Ernstfall tatsächlich helfen? Das käme ja einem (Schuld-)Eingeständnis gleich und würde einen Präzedenzfall schaffen. Nein, es muß zuerst ein Opfer mit gerichtlicher Hilfe(durch-)klagen. Nur so wird es dann auch für die anderen Opfer gehen.

  • RR
    Rolf Ronck

    Es wird Zeit, dass wir diese vor Arroganz und latenter Lüsternheit strotzenden Pfaffen aus ihren Tempeln jagen.

  • R
    Raphael

    Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass man Niedertracht auch nur mit Niedertracht begegnen kann: Auge um Auge...

     

    Sollen die Täter es mal am eigenen Leibe erfahren, was sie anderen angetan haben! Und wenn es einigen Opfern hilft, wenn sie sich an ihren Peinigern schadlos halten können, umso besser...