Kosten der Finanzkrise: Banken sollen Milliarden zahlen
Die Regierung prüft, ob sie eine Sonderabgabe für Banken erheben kann, um die Institute an den Kosten der Krise zu beteiligen. Ist das nur Show oder realistisch?
Mit Milliarden Euro sollen sich die Banken in Deutschland an den Kosten der Finanzkrise beteiligen und für die Zukunft vorsorgen. Deshalb könnte die Regierung demnächst eine "Sonderabgabe" erheben, sagte am Montag Michael Offer, der Sprecher von CDU-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: "Bis April werden wir einen eigenen Vorschlag vorlegen."
Was hat die Regierung vor?
Schäuble lässt prüfen, ob es sinnvoll ist, einen neuen Fonds einzurichten. In diesen könnten Beiträge der deutschen Banken und Versicherungen fließen. Das Geld würde für zwei Zwecke verwendet: Erstens übernähmen die Institute einen Teil der Kosten, die die Finanzkrise verursacht hat, zweitens würden sie für künftige Probleme vorsorgen. Denn parallel zum Fonds arbeitet die Regierung ein Gesetz aus, das die Abwicklung maroder Banken ermöglicht. Die dafür notwendigen Milliarden sollen die Institute selbst ansparen.
Wie viel Geld sollen die Banken aufbringen?
Zu Details und Summen sagt das Finanzministerium noch nichts. Gemessen an den zu erwartenden Kosten der Krise, die bislang die öffentlichen Haushalte und damit die Steuerzahler tragen, ginge es um 20 bis 100 Milliarden Euro alleine in Deutschland. "Bluten müssen die Eigentümer der Institute, die sonstigen Risikokapitalgeber, danach auch noch die restlichen Gläubiger", sagt Jochen Sanio, der Chef der Bankenaufsicht Bafin, "sie alle müssen bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen werden." Große Beträge aber würden die Gewinne der Institute erheblich senken. Deshalb ist Sanio im Hinblick auf die kommenden Jahre skeptisch: "In der Krise sind die erforderlichen hohen Einzahlungen schwer vorstellbar."
Sollen alle Institute zahlen, auch die Volksbanken?
Für die Finanzkrise sind nicht alle Banken in gleichem Maße verantwortlich. Die Deutsche Bank, die Commerzbank, die Münchner Hypo Real Estate und andere Institute hatten Milliarden Euro in risikoreiche Papiere investiert, die einen großen Teil ihres Wertes verloren. Die transnationalen Privatbanken, die Ableger der angelsächsischen Investmentbanken und die Landesbanken müssten auf jeden Fall zahlen. Die Sparkassen, denen die Landesbanken teilweise gehören, und die Volksbanken wehren sich allerdings. Sie fordern, den Beitrag zum Fonds nicht an der Bilanzsumme, sondern am Risiko zu bemessen, das die jeweilige Bank eingeht. Um einen gewissen Beitrag werden aber auch die regionalen und genossenschaftlichen Institute nicht herumkommen.
Planen andere Staaten Ähnliches?
Ja, US-Präsident Barack Obama hat bereits angekündigt, von den in Nordamerika aktiven Instituten rund 100 Milliarden Dollar abkassieren zu wollen. Schweden erhebt eine jährliche Gebühr als Vorsorge für Krisenzeiten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sortiert Vorschläge und Pläne, um ein international abgestimmtes Verfahren zu ermitteln.
Ist die Tobinsteuer aus dem Rennen?
Im Bundesfinanzministerium arbeiten die Fachleute sowohl an der Sonderabgabe als auch an einer internationalen Steuer auf Finanztransaktionen. Bei diesem Vorhaben, das die globalisierungskritische Organisation Attac seit Jahren einfordert, würde auf jedes Finanzgeschäft eine geringe Abgabe erhoben. Die Einnahmen wären viel höher als im Falle einer Sonderabgabe.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die Sonderabgabe kommt?
In der Regierung wehrt sich die FDP, aber das Finanzministerium ist in CDU-Hand. Schäuble wird sich durchsetzen, wenn er will. Kanzlerin Merkel wird ihn unterstützen. Angesichts der Debattenlage auf internationaler Ebene erscheint es wahrscheinlich, dass die Banken ein paar Milliarden zahlen müssen. Wie viel, steht in den Sternen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen