Korruption: In Sachsen wirds persönlich
In der Korruptionsaffäre nehmen Verbrecher ihre Gegner ins Visier. Ein Journalist wurde bedroht, ein Auto manipuliert und ein Laptop gestohlen.
Als vor einer Woche Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo warnte, die organisierte Kriminalität werde zurückschlagen, war die Öffentlichkeit verblüfft. "Der spinnt", murmelten einige Politikerkollegen. Buttolo erklärte, Verbrecher würden ihre Gegner einschüchtern und verleumden, doch Belege für diese Befürchtungen blieb er schuldig.
Mittlerweile wird es konkreter. Ein Dresdner Spiegel-Korrespondent, der den "Sächsischen Sumpf" mitaufgedeckt hatte, ist am Telefon bedroht worden; ein Landtagsmitarbeiter fand kürzlich sein Auto mit gelockerten Radmuttern und ohne seinen dort eingeschlossenen Laptop.
Zumindest im Fall von Spiegel-Mann Steffen Winter scheint der Bezug zur Korruptionsaffäre eindeutig. Er habe vor knapp zwei Wochen ein Leipziger Bauunternehmen angerufen, um ein vermeintlich dubioses Immobiliengeschäft zu recherchieren, sagte Winter der taz. Der Firmeninhaber sei während des Gesprächs "zunehmend erregt geworden" und habe damit gedroht, ihn bei weiteren Nachfragen der Kinderschänderei zu bezichtigen. Zudem wurde er erinnert, dass er eine Familie habe.
Winter hatte Mitte Mai erstmals über die brisante, 15.500 Seiten umfassende Aktensammlung des Verfassungsschutzes berichtet, in der Netzwerke aus Profiverbrechern, Politikern, Justizbeamten und Managern erkennbar sein sollen. Es geht um Geschäfte mit Immobilien und Zuhälterei. Angeblich haben Verbrecher einflussreiche Persönlichkeiten mit Minderjährigen versorgt und damit erpressbar gemacht. Zudem besteht der Vorwurf, dass Polizisten oder Staatsanwälte Kriminelle gewarnt und Ermittlungen blockiert haben.
Bisher kennen die Akten außerhalb des Verfassungsschutzes nur der Landesdatenschutzbeauftragte, die Geheimdienstkontrolleure im Landtag und zumindest auszugsweise ein paar Journalisten. Zudem sind einige Dossiers inzwischen an die Bundesanwaltschaft sowie eine Sondereinheit der sächsischen Staatsanwaltschaft gegangen. Die Bundesanwälte halten sich nicht für zuständig, dagegen hat der Dresdner Oberstaatsanwalt Christian Avenarius vom Geheimdienst verlangt, bis zum 1. Juli die gesamten Unterlagen zu überstellen.
Sowohl Buttolo als auch sein Vorgänger, der heutige Kanzleramtschef Thomas de Maizière, stehen unter Druck. Ihnen wird vorgeworfen, nicht früher die Justiz unterrichtet zu haben. Nun hat Buttolo den Verfassungsschutzpräsidenten und den Leiter des Geheimdienstreferats im Innenministerium ersetzt. Offen ist bisher, in welchem Zusammenhang die einzelnen Beobachtungen des Verfassungsschutzes stehen. Unklar ist auch, ob die Informationen gerichtlich verwertbar sind.
Entsprechend brisant sind die Einschüchterungen. "Es ist ein größerer Kreis, den es betreffen könnte", sagte der Sprecher des Innenministeriums der taz: "Von Juristen, Journalisten, Leuten beim Verfassungsschutz selbst bis hin zu Mitarbeitern aus dem Innenministerium." Die Fälle von Einschüchterung kenne der Minister aus der Zeitung, eine bedrohte Person habe sich an die Behörden gewandt. Zu Schutzmaßnahmen wollte das Ministerium nichts sagen.
Spiegel-Mann Winter bleibt trotz der Drohungen gelassen: "Wir stellen hier nicht aus Angst den Wachschutz auf." Die dilettantischen Versuche, ihn einzuschüchtern, zeigten ihm, dass er es nicht mit professionellen Mafiastrukturen zu tun habe. "Ich fühle mich daher nicht wirklich bedroht und werde meine Arbeit ganz sicher nicht einstellen", sagte Winter. Auch in seiner Hamburger Stammredaktion hieß es gestern, Schutzmaßnahmen seien derzeit überflüssig.
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