Korruption in Hessen: Steuerfahnder-Affäre, Klappe, die x-te
Beamte wurden aus ihren Jobs gemobbt. Mehr als anderthalb Jahre später werden die ersten Zeugen gehört. Verschleppungstaktik, sagt die Opposition.
WIESBADEN taz | Die Aufarbeitung der "Steuerfahnder-Affäre", bei der vier hessische Beamte mit gefälschten psychiatrischen Gutachten aus ihren Jobs gemobbt wurden, geht weiter. Am Montag befasste sich der im Januar 2010 einberufene Untersuchungsausschuss nach der Sommerpause erneut mit dem Fall.
Erstmals waren die ehemaligen Beamten selbst als Zeugen geladen. Obwohl ihnen Atteste einen beanstandungslosen Gesundheitszustand und ihre Arbeitsfähigkeit bescheinigen, wurden die vier Steuerfahnder von der hessischen Finanzverwaltung bis heute nicht rehabilitiert und auf ihre Stellen in der Frankfurter Steuerfahndung zurückgeholt.
Die Opposition im Landtag kritisiert das gesamte Verfahren als "Verschleppungstaktik" der schwarz-gelben Regierung: Erst 20 Monate nach Ausschussgründung konnten die ersten Zeugen vernommen werden. Zudem fürchten viele Landtagsabgeordnete, dass sich die Causa noch länger hinziehen könnte.
Als erster erhob Ex-Fahnder erhob Marco Wehner schwere Vorwürfe gegen die hessische Finanzverwaltung. Er sei wegen seiner kritischen Haltung zu einer Anweisung von ganz oben "aus dem Dienst hinausgetrieben" worden, sagte er.
"Querulantentum" attestiert
Tatsächlich waren die vier Steuerfahnder zwei Jahre nach dem überraschenden Wahlsieg von Roland Koch und der hessischen CDU 1999 in Ungnade gefallen, weil sie gegen einen Erlass aus dem Finanzministerium opponiert hatten. Der untersagte ihnen die Verfolgung von Steuerhinterziehern, wenn weniger als 500.000 Euro am Fiskus vorbei ins Ausland verschoben wurden. Die Fahnder sahen dadurch ihre langjährige Ermittlungsarbeit vor allem gegen die Helfershelfer der Steuerhinterzieher in den Banken und die Protagonisten in der Schwarzgeldaffäre der hessischen CDU sabotiert. Sie kündigten behördenintern an, weiter zu ermitteln.
Doch das "System Koch", so die Oppositionsparteien im Landtag, schlug zurück. Zunächst wurden die renitenten Fahnder innerhalb der Finanzbehörde versetzt und mit "sinnlosen Arbeiten" beschäftigt. Nach Protesten dagegen wurden ihnen "Querulantentum" attestiert. Danach wurden die Fahnder dann von ganz offensichtlich gekauften Gutachtern, von denen der Psychiater Thomas H. deswegen inzwischen rechtskräftig verurteilt wurde, kollektiv für "paranoid" erklärt und zwangspensioniert. Unterdessen wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft in Frankfurt in dieser Sache auch gegen einen Medizinalrat ermittelt.
SPD, Grüne und Linke sprechen von einer "unfassbaren Intrige". Das von der Opposition angerufene Landesverfassungsgericht musste bereits eingreifen, weil CDU und FDP den Untersuchungsausschuss zur parlamentarischen Waffe gegen die Fahnder umfunktionieren wollten. Den Anwälten der Fahnder war zunächst "aus Geheimhaltungsgründen" jede Akteneinsicht verweigert worden.
Auch von den Obmännern der Opposition im Ausschuss angeforderte Akten wurden zurückgehalten. Im Oktober 2010 kam es schließlich doch zu einem Akteneinsichtstermin. Kurz darauf wurden die Akten allerdings rasch wieder abgeholt.
Die Zwangspensionierung kostet den hessischen Steuerzahler übrigens viel Geld. Denn die vier arbeitsfähigen- und willigen Steuerfahnder beziehen seit fast einem Jahrzehnt Rente.
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