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Kopenhagener UN-GipfelDie Tücken der Klimareform

Der Weltgipfel ist an einem Missverständnis gescheitert. Denn der Kampf gegen die Erwärmung ist Politik, nicht Wissenschaft. Und Klimapolitik ist nur ohne Zumutungen wirklich populär.

So ähnlich schauen auch die Ergebnisse der Klimakonferenz aus. Bild: dpa

Es waren selige Zeiten, als der Smalltalk über das Wetter noch ein Refugium des Unpolitischen war. Die Politik könne nur über Themen streiten, schrieb der Publizist Christian Graf von Krockow 1976 in einem Buch über "Reform als politisches Prinzip", die der Mensch selbst beeinflussen könne. "Zum Beispiel gibt es noch keine wirksame Technik", fuhr er fort, "das Wetter nach Wunsch zu programmieren. Deshalb gibt es noch keine Wetterpolitik und kein Wetterrecht, keine Wetterbürokratie und keinen Wetterminister, keinen Konflikt oder gar Krieg um das Wetter."

Was in den Siebzigern noch als illusorisch galt, ist drei Jahrzehnte später Realität geworden. Zwei Wochen versuchten Wetterminister und Wetterbürokraten aus rund 193 Staaten, mit einer globalen Wetterpolitik den befürchteten Wetterkriegen in ferner Zukunft vorzubeugen. Spätestens mit dem Kopenhagener Gipfel ist klar geworden, dass das Weltklima Gegenstand einer globalen Reformpolitik ist - und dass sie mithin den Friktionen jeglicher Reformpolitik unterliegt.

Die oft belächelten Mühen, mit denen die Weltgemeinschaft in einem jahrelangen Prozess um die Anerkennung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse rang, haben darin ihren Kern: Sie haben die Beeinflussung des Klimas als Gegenstand von Politik überhaupt erst etabliert. Als naiv erwies sich dagegen die Annahme, damit sei die Frage nach den Konsequenzen praktisch schon beantwortet. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Der nahezu einhellige Konsens, dass der Mensch die Entwicklung des Klimas selbst in der Hand hält, hat das Feld der politischen Auseinandersetzung eröffnet.

Seit dem Zeitalter der Aufklärung im 18. Jahrhundert ist die politische Kultur Kontinentaleuropas von dem Anspruch geprägt, dass sich staatliches Handeln am Vernünftigen zu orientieren habe. Die preußischen Reformer um Stein und Hardenberg, der österreichische Reformkaiser Joseph II., die Pariser Revolutionäre von 1789 versuchten, die Rationalität moderner Wissenschaft im politischen Alltag durchzusetzen. Es ist kein Zufall, dass genau diese Länder in der Debatte um den Klimawandel die Führungsrolle übernommen haben.

Es ist zunächst die Macht der Tradition, die alle Reformer unterschätzt haben. Den Ferienflug nach Mallorca lässt sich der Deutsche heute so ungern verbieten wie der Österreicher einst die Wallfahrt nach Mariazell, auch wenn die Wissenschaft noch so viele Argumente gegen den Luftverkehr oder die Wunderkraft einer Reliquie herbeischaffen mag.

Hinzu kommen handfeste Interessengegensätze. Politik ist niemals "alternativlos", sonst wäre sie nicht Politik. Die prognostizierten Folgen des Klimawandels fallen in den unterschiedlichen Weltregionen sehr verschieden aus. Mit gutem Grund entwarf Roland Emmerich in seinem Klimafilm "The Day after Tomorrow" das Szenario einer neuen Eiszeit. Die Vorstellung, in New York oder Berlin künftig unter Palmen zu promenieren, hätte die Bewohner gemäßigter Klimazonen nicht wirklich erschüttert.

Unterschiedliche Interessen gibt es erst recht beim Kampf um künftige Emissionsrechte und Entwicklungsmöglichkeiten. Die viel gescholtenen Chinesen hatten in Kopenhagen natürlich recht mit ihrer Forderung, die Pro-Kopf-Emissionen zum Maßstab globaler Verteilungsgerechtigkeit zu machen. Das Gerede von China als dem größten Luftverschmutzer ist unter diesem Gesichtspunkt schlicht absurd.

Gern vergisst der ökologisch bewusste Deutsche, dass sein individueller Kohlendioxid-Rückstand gegenüber den US-Amerikanern in globaler Perspektive lächerlich gering aussieht - und dass er deutlich mehr Treibhausgas freisetzt als ein Italiener, dem er gern mangelndes Umweltbewusstsein vorhält. Als könne das Weltklima etwas dafür, dass sich 80 Millionen Deutsche ausgerechnet in den rauen Regionen nördlich der Alpen ansiedelten, die intensives Heizen ebenso erfordern wie aufwändige Ferienflüge in wärmere Gefilde.

Die hohe Zustimmung zur internationalen Klimapolitik der Bundeskanzlerin erklärt sich auch daraus, dass sie nicht mit konkreten Zumutungen in der Innenpolitik verbunden ist. Sich in der Gegenwart mit handgreiflichen Einschränkungen abzufinden, ohne die zukünftigen Risiken dadurch schon mit letzter Sicherheit vermeiden zu können: Das zählt von jeher zu den größten Schwierigkeiten von Reformprozessen, zumal sich Prognosen in der Vergangenheit oft als falsch erwiesen und Politiker von möglichen Nachteilen nicht gern reden. Der Überschwang, mit dem Regierungschefs aus aller Welt in Kopenhagen von den Chancen des postfossilen Zeitalters schwärmten, stand jedenfalls in einem verdächtigen Widerspruch zu ihrer Weigerung, sich auf diese fantastische Zukunft zu verpflichten.

Gerade die Demokratie als konservativste aller Staatsformen ist jeder allzu raschen Veränderung abhold. Wer die starre Haltung des US-Präsidenten Barack Obama in den Kopenhagener Klimaverhandlungen kritisiert, sollte lieber nach den Mehrheitsverhältnissen in der amerikanischen Bevölkerung fragen. So steht der Ruf nach Demokratie in einem auffälligen Spannungsverhältnis zu der Erwartungshaltung, die sich auf dem Klimagipfel an Obama richtete. Wie von einem Messias wurde vom Präsidenten erwartet, dass er den Gipfel in letzter Minute mit Zugeständnissen retten würde, die niemals die Zustimmung der heimischen Parlamentskammern finden könnten.

Oft formulierten diese Erwartung gerade jene, die eine Führungsrolle der USA sonst gern als "Imperialismus" geißeln. Dabei gibt es längst ein Imperium, doch in einem völlig anderen Sinn: Es besteht aus den eng vernetzten Ökonomien des kapitalistischen Wirtschaftsraums, zu dem in wachsendem Maße auch China gehört. Durchgreifende Veränderungen lassen sich in einem solchen System nicht aus Washington oder andernorts anordnen. Sie gelingen am ehesten, wenn eine gesellschaftliche Dynamik in Gang kommt, gestützt durch die Drohung stark steigender Energiepreise.

Als völlig verfehlt erwies sich dagegen der Ansatz, ausgerechnet jenen Akteuren ein Vetorecht zuzugestehen, die an diesen Interaktionsprozessen allenfalls marginal beteiligt sind. Von dubiosen Klimaleugnern bis zu verzweifelten, aber machtlosen Inselbewohnern durften alle mitreden - und die Suche nach einer Einigung erschweren. Am Ende müssen sich die G-20-Staaten als wichtigste Emittenten schon selbst verständigen, wie sie die verbliebenen Klimaschädigungsrechte unter sich aufteilen.

In Kopenhagen fanden die entscheidenden Gespräche am Ende zwischen den USA und China statt, die Klimaretter aus Europa konnten nur noch zuschauen. Damit wird der Kongress zu einem jener Wendepunkte, an denen neue Konstellationen sichtbar werden.

Das Treiben der rund 190 Delegierten erinnerte an die Friedensverhandlungen, die nach einem dreißigjährigen verheerenden Krieg zwischen den europäischen Mächten in Münster und Osnabrück geführt wurden - nachdem die Apokalypse bereits eingetreten war. Sie endeten nach ermüdenden Verhandlungen mit einem unendlich komplexen Konvolut unterschiedlichster Verträge, die das moderne Staatensystem begründeten.

Noch nie ist ein Reformprozess zu hundert Prozent geglückt, das ist keine beruhigende Erkenntnis angesichts der Klimakatastrophe. Andererseits blieb kaum eine Reform komplett folgenlos. Das Ausmaß des Erfolgs hängt davon ab, ob sich die Beteiligten der Dynamik solcher Prozesse bewusst sind, ob sie Widerstände, Interessenkonflikte und Verlustängste als solche wahrnehmen und thematisieren. Bei der Klimareform geht es nicht um Naturwissenschaft. Es geht um Politik.

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5 Kommentare

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  • RK
    Rüdiger Kalupner

    Es geht nicht um Politik oder um Wissenschaft, sondern um Evolutionsprozess-Muster und -Macht. Das ist die aller Politik und Kultur übergeordnete Ordnungmacht und Entwicklungslogik.

     

    Es gilt, die Evolutionsprojekt-Lösung zu suchen, die uns aus dem bisherigen Akzelerations-Muster/Entwicklungspfad der Kapitalstock-Maximierung und des dazu notwendigen Energieeinsatzes herausführt. Diese Evolutionsprojekt-Umsteuerungslösung ist aus der Logik der Evolutionsprozesses selbst abzuleiten und zu formulieren. Die in der Systemkrise des Ancien Régimes der 2%Wachstumszwang-Manager herangewachsenen Umsteuerungspotenziale werden dann das Neue wie ein Naturereignis in die Welt setzen.

     

    Die entsprechenden Inhalte des Umsteuerungsprojekts sind erkannt. Sie müßten nur in die Diskussion gelangen, um via Finanzmarktspekulation - die die Durchsetzungsmacht und die neue Weltordnung vorwegnimmt - global durchgesetzt zu s e i n.

     

    Alles Große ist in der 'Natur' bekanntlich genial einfach. Dies gilt auf der Steuerungs- und Durchsetzungsebene. Großes flutscht - wie bei einer Geburt.

  • JB
    Joachim Bovier

    Jedenfalls belegt der Verlauf dieser Weltklimakonferenz in Kopenhagen, dass niemand ausser den Deutschen das Thema so hysterisch und überzogen angeht. Wären wir nicht mittlerweile ein weitgehend atheistisch gottloses Land, so brauchten wir auch keiner Ersatzreligion rund ums CO2 zu huldigen. Allerdings könnte sich dann Frau Merkel auch nicht als Hohe Priesterin des neuen Heidentum stilisieren.

  • X
    Xebolon

    Klimareform?!

    Ich bin nur noch belustigt über so viel Naivität.

    Ob nun eine Volkwirtschaft große Mengen CO2 produziert oder nicht, wird zukünftig kaum eine Rolle für die Entwicklung des Weltklimas spielen.

    Was wieder keiner realisiert, ist der Umstand, dass das Wetter/Klima bereits vom US-Militär gehijacked ist. Bereits seit den 1990er Jahren macht das US-Militär erfolgreich Wetterexperimente und erwartet die Beherrschung des Wetters bis ca. 2025. Was meinen Sie, auf dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen, in wessen Interesse diese Technologie zum Einsatz kommen wird. Die Bemühungen den CO2-Austoß zu senken, werden sich in diesem Zusammenhang als geistesgestört herausstellen.

    Hier kommt eine realistische Gefahr auf die Menschheit zu, gegen die es sich vereint zu wehren gilt. Aber das Klima-Schattenboxen ist ja populärer, da ohne Konsequenzen für die politischen Karrieristen.

    Bedenken Sie - die wirkliche Politik wird immer auf Nebenschauplätzen gemacht, nie im Scheinwerferlicht einer inszenierten Vorstellung, wie der Klimakonferenz.

     

    Aber entgegen aller medialen Panikmache möchte ich Sie auf die wertvollste Botschaft dieser Tage hinweisen.

     

    Der Weihnachtsengel spricht: Fürchtet Euch nicht, denn Euch ist heute der Heiland geboren.

     

    Denken Sie darüber nach. Es ist eine Anweisung Ihres Schöpfers, der genau weis, das Angst Sie daran hindert klar zu denken.

     

    Dann brauchen Sie keine Angst mehr vor manipulierten Klimakatastrophen, künstlicher Energieverknappung, hinterhältigen Schnitzel-Viren, undemokratischen Regierungsbürokratien und den Kopftüchern des Bösen zu haben.

     

    Ein gesegnetes Weihnachtfest wünscht Ihnen - Xebolon

  • KM
    korruptas ministerias

    Viel wurde berichtet über den Gipfel, nur nicht die wirklich wichtigen Dinge, wie beispielsweise über den folgenden offenen Brief an Frau Merkel und andere.

     

    http://info.kopp-verlag.de/news/zensur-auf-der-klimakonferenz-zdf-und-ard-chefredakteur-protestieren-bei-merkel-und-uno.html

     

    Leider hab ich den Brief irgendwo anders gefunden, was alleine schon Bände spricht.

  • JR
    Johannes Rohr

    "Klimareform"? Um Gotteswillen, was soll diese wiedersinnige Wortschöpfung? Der Wettbewerb um das Unwort des Jahres 2009 ist meines Wissens schon vorbei.

     

    Wirklich entsetzt hat mich aber diese Passage:

     

    "Als völlig verfehlt erwies sich dagegen der Ansatz, ausgerechnet jenen Akteuren ein Vetorecht zuzugestehen, die an diesen Interaktionsprozessen allenfalls marginal beteiligt sind. Von dubiosen Klimaleugnern bis zu verzweifelten, aber machtlosen Inselbewohnern durften alle mitreden - und die Suche nach einer Einigung erschweren"

     

    Warum alle Staaten mitreden durfen, einschließlich der vom teilweisen oder vollständigen Untergang bedrohten lässt sich leicht erklären: Weil es sich um eine UN-Veranstaltung handelt. Da dürfen qua Satzung alle, naja, alle UN-Mitglieder mitreden, auch wenn die dänische Regierung nach Kräften versucht hat, dies auszuhebeln. Das ist nicht speziell für die COP15 eingerichtet worden, sondern ist ein Grundprinzip.

     

    Doch was genau ist es, was Ralph Bollmann als Alternative vorschlägt? Sollen jetzt allein die großen Verschmutzer die Zukunft des Planeten unter sich aushandeln, d.h. diejenigen, für den allergrößten Teil der Emissionen verantwortlich sind, aber nur moderat von den Folgen getroffen werden, währen diejenigen, für die der Klimawandel schon jetzt zur tödlichen Bedrohung geworden sind, auf die Zuschauerrängen Platz nehmen sollen? Was genau wird bei solch einer Veranstaltung zu erwarten sein? Wieviel Einsatz zur Rettung kleiner Inselstaaten, bedrohter Küstenregionen oder von Desertifizierung bedrohter arider Regionen Afrikas können wir von den USA, Russland, Europa, China oder Kanada erwarten, wenn ihnen gestattet wird, die Sache unter sich auszumachen?

     

    Man fragt sich auch, wie das Verfahren gestaltet werden soll. Muss man eine bestimmte Mindest-Emssionsmenge nachweisen um mitreden zu dürfen? So wie es bei der Weltbank heißt "One dollar - one vote" wären wir dann bei "One ton - one vote" angelangt. Vielleicht würden sich ja dann einige Staaten motiviert fühlen, noch schnell ihren C02-Ausstoß um ein paar Prozent zu steigern, um doch noch mitreden zu können...