Kooperation der Klinikkonzerne in der Kritik: Labor mit Gschmäckle
Mit der Labor GmbH ist die erste Kooperation von Vivantes und Charité sichtbar. Kritik an Personal und Rechtsform.
Am Internetauftritt hapert es noch. "Hier entsteht die Webpräsenz der Labor Berlin - Charité Vivantes GmbH", heißt es unter der Adresse laborberlin.com. Formal aber gibt es sie, die erste sichtbare Zusammenarbeit der landeseigenen Klinikkonzerne Charité und Vivantes: Zum 1. Januar ist die Labor Berlin GmbH an den Start gegangen. Politik und Wirtschaft hatten seit langem mehr Zusammenarbeit gefordert. Die Parallelstrukturen kosten das Land Millionen Euro, was vielen angesichts der Verluste der Charité und des Investitionsstaus beider Unternehmen aufstößt. Niemand also bestreitet den Sinn gemeinsamer Blutanalysen - die nun gefundene Form aber wird von Beschäftigtenvertretern scharf kritisiert.
Künftig sollen mehr als 400 Mitarbeiter jährlich 20 Millionen Laborproben analysieren. Bislang ist die GmbH auf zwölf Standorte verteilt, später soll sie auf das Virchow-Gelände umziehen. Die beiden Kliniken versprechen sich von der Labor-Fusion Synergien und ein breiteres wissenschaftliches Fundament - immerhin arbeiten die Wissenschaftler nun mit doppelt so viel Proben wie zuvor. Charité-Chef Karl Max Einhäupl rechnet außerdem damit, dass seine Uniklinik besser mit Medizintechnikfirmen zusammenarbeitet.
Geleitet wird die Gesellschaft vom Rechtsanwalt Christian Friese und dem Unternehmensberater Florian Kainzinger. Friese war zuvor für Vivantes tätig. Kainzinger hat die vergangenen zwei Jahre damit verbracht, seinen neuen Arbeitsplatz zu schaffen: Der lange für Roland Berger tätige Kaufmann beriet die Charité bei der Gründung der Laborgemeinschaft. "Das wirft schon Fragen auf", sagt dazu Personalrat Kilian Tegethoff. Kainzinger arbeitete für die Uniklinik über seine Firma "Think Health". Welches Honorar er dafür erhielt, wie viel er auf dem selbst gebauten Chefsessel verdient - darüber schweigt die Charité.
Sie verweist darauf, dass Kainzinger über "langjährige Erfahrungen in Restrukturierungsprojekten im Bereich der Labormedizin" verfüge. Außerdem seien beide Geschäfsführer nur interimsweise tätig, um die Unternehmensstrukturen aufzubauen. Zum 1. Juli sollten die Posten neu besetzt werden, so der Konzern in einer Erklärung. Den Personalrat beruhigt das nicht: "Wir sind darüber nicht informiert, und wenn es stimmt, wäre ich immer noch vorsichtig", sagt Tegethoff. Der Gesamtpersonalrat befürchtet grundsätzlich, dass Kainzinger - wenn überhaupt - nur mit einer hohen Abfindung gehen werde. "Das nennen wir Privatisierung öffentlicher Gelder!", schreiben sie auf einem Flugblatt. Und die Politik? Sie will das ganze kritisch begleiten. "Als Interimslösung ist das in Ordnung", sagt der wissenschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Oberg. "Als Dauerlösung sehe ich das nicht."
Auch die Rechtsform stößt den Beschäftigtenvertretern auf: Die ausgeliederte GmbH lohne sich wirtschaftlich nur, wenn an Personalkosten gespart werde. Entweder also müssten weniger Menschen arbeiten oder sie müssten schlechter bezahlt werden. "Das geht auf Kosten der Qualität", sagt Tegethoff. Er sorgt sich zudem darum, dass die von Charité und Vivantes unabhängige GmbH bei Bedarf an Privatinvestoren verkauft werden könnte. Charité-Sprecherin Stephanie Winde wiegelt ab: Im Vertrag sei ein Passus eingefügt, der die Veräußerung von Anteilen der Gesellschaft an Dritte ausschließe. Winde hat dies in ihrer Zeit als SPD-Abgeordnete mitinitiiert; auf einen ihrer Anträge hin wurde der Gesellschaftervertrag um den Absatz ergänzt.
Den Personalrat beruhigt das nicht. "Das kennen wir ja: Wenn es ums Geld geht, fallen Abgeordnete schnell um", sagt Tegethoff. Die Arbeitnehmervertreter haben auch nicht vergessen, dass sich der Vorstand bei der Gründung der Labor GmbH über ein Votum des Fakultätsrats hinwegsetzte. Letzterer nämlich hätte eine formlose Kooperation der Labore von Vivantes und Charité favorisiert. So hätten seiner Ansicht nach die gleichen Synergien erzielt werden können, gleichzeitig wären Qualität und Tarifstrukturen gesichert gewesen.
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