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Archiv-Artikel

Kontinuum des Widerstands

Es gibt sie noch, die kritischen Stimmen von der HipHop-Front: Allerdings findet man die aktuellen Protestsongs der Beastie Boys, von Saul Williams, Chuck D. oder Michael Franti fast nur im Internet

von UH-YOUNG KIM

Wo sind eigentlich die kritischen Rapper geblieben? Diese Frage stellte sich angesichts der Masse an Musikern, die in jüngster Zeit gegen den Krieg Stellung bezogen haben. Ausgerechnet die Stimmen der Rapper wurden da von manchem vermisst (taz vom 26. 3.). Doch wer so fragt, der weiß nicht um die Strukturen, die Protestsongs erst Gehör in der Öffentlichkeit verschaffen – oder eben auch nicht. Denn wer nach kritischen Raps sucht, der findet sie auch. Nur eben nicht auf Majorlabels oder unter dem sinnentleerten Peace-Logo von Viva. Sondern im Internet, zum freien Download.

Unlängst kursierte etwa eine Liste von über sechzig Anti-Kriegs-Raps im Netz. Die dort aufgeführten MP3 können grob in drei Blöcke aufgeteilt werden: aktuelle Produktionen zum Irakkrieg sowie ältere Stücke. Und dann natürlich solche Raps von MCs, für die das Leben an sich bereits ein Krieg ist.

So verschieden die musikalischen Entwürfe der neuen Anti-Kriegs-Raps auch sind: Die Gegnerschaft zur Politik der gegenwärtigen US-Regierung eint ihre Urheber. So distanzieren sich die Beastie Boys in ihrem partytauglichen Song „In A World Gone Mad“ von militärischer Gewalt und senden ein frisches „Peace to Islam“. DJ Shadow und Zack De La Rocha, der Exsänger der einstigen Agit-Rockband Rage Against The Machine, haben sich zusammengetan, um in der wütenden Anklage des „March Of Death“ dem „texas cowboy“ und seinem „high-tech drive-by“ die Stirn zu bieten. Und der Spoken-Word-Poet Saul Williams ist gleich mit vier Songs und Remixen im Internet vertreten. Eingebettet in die Parole „Not In Our Name“ prangert der sprachgewaltige Nostradamus des Rap in seinem Manifest „Pledge Of Resistance“ die „transfusions from blood for oil“ an.

Ein regelrechter Hit jenseits der Charts gelang Michael Franti, dem Mastermind der HipHop-Formation Spearhead, mit seiner Grassroots-Hymne „Bomb Da World“. Bei einem Fernsehauftritt von Franti wurde der Refrain – „You can bomb the world to pieces/but you can’t bomb it into peace“ – jedoch herausgeschnitten. Wie ernst die US-Behörden die sich formierende Gegenkultur nehmen, lässt ein FBI-Besuch bei einem der Band-Mitglieder von Spearhead erahnen.

Noch mehr Airplay aber könnte das Projekt von Run-DMC-Reverend Run und Hit-Produzent Timbaland erreichen. Als All-Star-Kollektiv haben sie unter dem Titel „Raise Your Hands – Say Not In Our Name“ eine ganze Reihe prominenter Künstler zum Rap-Reigen versammelt.

Mit Chuck D ist die Liste der üblichen Verdächtigen aus der Protest-Community dann komplett. Doch auch wenn sie sich gegen den Krieg aussprechen – ausgewiesene Pazifisten sind die meisten Rapper bekanntlich nicht. Viele sehen sich vielmehr selbst als „military minds“. Das Selbstbild des Rappers als einer Art „Ein-Mann-Armee“ in der Kriegszone der Ghettos prägte nicht nur das Image von Tupac Shakur. Auch Public Enemy sahen in ihrer symbolischen Militanz stets eine angemessene Antwort auf die strukturelle Gewalt der herrschenden Verhältnisse.

Doch seit Mitte der Neunzigerjahre landen – nicht zuletzt aufgrund der stark konzentrierten Medienlandschaft in den USA – sozialkritische Raps regelmäßig auf den schwarzen Listen der Radio- und TV-Stationen. So lehnte MTV die Ausstrahlung von Anti-Kriegs-Spots ab, die Def-Jam-Gründer Russel Simmons und der Underground-Rapstar Mos Def gedreht hatten. Und der gleiche Musiksender schickte Michael Franti ein Fax, in dem er diesem erklärte, dass Videos, in denen das Wort „war“ oder „bombing“ vorkämen, fortan nicht mehr gesendet würden. Die Mobilisierungs-Spots der US-Army dagegen haben mittlerweile einen festen Sendeplatz im Programm.

Noch hurrapatriotischer verhält sich derzeit in den USA das Radio-Netzwerk Clear Channel. Während der Konzern seit März landesweite Pro-Kriegs-Demonstrationen sponsert, verbannen die über 1.200 Sender, die dem Mediengiganten angehören, jede regierungskritische Stimme aus ihren Playlists. Reime wie „George Bush is much worse than Bin Laden is/FBI and CIA the real terrorists“ der Rap-Sozialisten von Dead Pres fallen so naturgemäß unter den Tisch. Die Musiker, die sich als ideologische Erben der Black Panthers verstehen, beweisen seit Jahren mit jeder Zeile, dass ihre Mission über einen Eintagsprotest hinausgeht. Dagegen gerinnen die knappen Lippenbekenntnisse von Rap-Stars wie P. Diddy, die sich momentan in den allgemeinen Anti-Kriegs-Chorus einreihen, zum heuchlerischen Lifestyle-Aktionismus.

Denn nie war es einfacher, das HipHop-Publikum auf seine Seite zu ziehen. So genügte der Vorgruppe der HipHop-Band The Roots kürzlich schon ein simples „Fuck Bush!“, um auf deren Deutschland-Tour die Zustimmung der ganzen Halle zu ernten. Die Roots selbst kommentierten die aktuelle Lage dagegen mit mehr Understatement. Indem sie zwei afroamerikanische Protestsong-Klassiker zitierten – „War“ von Edwin Starr und Marvin Gayes „What’s Going On“ –, stellten sie sich in eine Art Soundkontinuum des Widerstands. Dieser Kampf aber hat nicht erst mit dem Irakkrieg begonnen und wird auch nicht mit dessen Ende vorbei sein.

Downloads: www.daveyd.com/commentaryantiwarsonglist.html, www.notinournamemusic.com/, www.marchofdeath.com/, www.beastieboys.com/, www.spearheadvibrations.com