Konsequenzen nach Fromm-Entlassung: Streit um Verfassungsschutz
Die Verfassungsschutzaffäre ist mit dem Abschied ihres Spitzenmannes Fromm längst nicht ausgestanden. Minister Friedrich will weitere Konsequenzen ziehen.
BERLIN dpa | Angesicht des Rückzugs von Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) weitere Konsequenzen in der Behörde angekündigt. „Es darf natürlich das, was passiert ist, nicht passieren, und deshalb muss es da auch Konsequenzen geben“, sagte der Minister am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk.
Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), erhob schwere Vorwürfe auch gegen den Militärischen Abschirmdienst (MAD). Der Bundestagsabgeordnete beklagte sich am Dienstag im ARD-Morgenmagazin, dass der MAD „sich weigert, dem Untersuchungsausschuss die Akten zukommen zu lassen. Das wird noch viele Diskussionen geben - so geht's jedenfalls nicht.“
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, schlug sogar vor, „über die Abschaffung des Verfassungsschutzes nachzudenken“. Ähnlich hatte sich der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir geäußert. „Der Verfassungsschutz auf Bundes- und Landesebene gehört komplett auf den Prüfstand“, sagte Özdemir dem Hamburger Abendblatt.
Vor wenigen Tagen war bekanntgeworden, dass Verfassungsschützer Akten zur rechten Szene geschreddert hatten, nachdem die Zwickauer Neonazi-Zelle aufgeflogen war. Der 63 Jahre alte Fromm bat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am Montag um die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand zum 31. Juli. An diesem Donnerstag wird er dem Bundestags-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Der Ausschuss kommt bereits am heutigen Dienstag zu einer Sitzung zusammen.
Erstmal ohne Präsidenten
Als Nachfolger Fromms ist der derzeitige Vizepräsident Alexander Eisvogel im Gespräch. Im Bundesinnenministerium wird nach Informationen der Berliner Zeitung auch erwogen, den Präsidentenposten vorerst nicht wieder zu besetzen. Demnach könnte damit gewartet werden, bis die gesamte Affäre um die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) aufgeklärt sei, berichtet das Blatt unter Berufung auf führende Unionskreise. Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr, könnte das Bundesamt für Verfassungsschutz „für gewisse Zeit“ ohne Präsidenten oder ohne Vizepräsidenten geführt werden.
Zur Rolle des Bundesamtes sagte der Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann: „Verfassungsschützer müssen nicht in erster Linie Geheimdienstler sein, sondern geschulte Demokraten, mit einem richtigen Gespür für die Gefahren, die unserer Demokratie drohen.“
Der Verfassungsschutz müsse weg vom Schlapphut-Image. Auch das Parlamentarische Kontrollgremium könnte „noch professioneller arbeiten“, wie der Vergleich mit den USA zeige, wo die beiden Kontrollausschüsse jeweils rund 60 Mitarbeiter hätten.
Kenan Kolat von der Türkischen Gemeinde sagte der dpa: „Das Vertrauen in die deutschen Sicherheitskräfte ist bei uns auf fast Null gesunken.“ Es habe sich gezeigt, „dass der Staat und bestimmte Organe des States am rechten Auge blind sind“. Die Sicherheitsorgane stünden vor einem Scherbenhaufen.
Die rechtsextreme Terrorzelle NSU wird für zehn Morde verantwortlich gemacht. Die Opfer waren neun Kleinunternehmer türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin. Erst nach Jahren kamen die Ermittler der Gruppe im vergangenen Herbst auf die Spur. Seitdem sind die Sicherheitsbehörden massiven Vorwürfen ausgesetzt. Der Untersuchungsausschuss des Bundestags soll Aufklärung bringen.
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